Filmfest Hamburg 2025 – Tops und Flops
Filmfest Hamburg 2025 – Haltung zeigen in Zeiten der Zumutungen
Das Filmfest Hamburg ist jedes Jahr ein Spiegel der Stadt und zugleich ein Fenster in die Welt. 2025 war es beides – und noch mehr: ein Bekenntnis, dass Kino politisch sein muss. Gerade in einer Zeit, in der Rechtsruck, Krieg und neoliberaler Rückzug ins Private das Klima bestimmen, stellte das Festival klar: Film ist nicht Flucht, sondern Teilhabe und Verantwortung.
Tops – wenn das Festival Haltung beweist
Brosdas Eröffnungsrede – Kino ist politisch, Filmemacher:innen erst recht
Von Beginn an machte Brosda klar: Kino ist nie neutral. Es zeigt alternative Lebensrealitäten, eröffnet Welten jenseits des Alltäglichen und gibt damit Hoffnung auf Veränderung. Doch entscheidend sind die Filmemacher:innen selbst: Sie müssen Haltung zeigen, sie wählen aus, welche Stimmen sichtbar werden und welche verdrängt bleiben. In Zeiten von Rechtsruck und gesellschaftlicher Verhärtung ist genau dieses Zusammenspiel – das politische Potenzial des Kinos und die Verantwortung der Filmschaffenden – unverzichtbar.
Freie Eintrittstage – Kino als demokratisches Versprechen
Kostenloses Kino ist mehr als ein Bonus. Es ist eine Geste, die sagt: Film gehört allen. In einer Zeit, in der Kultur oft Luxus wird, öffnet das Festival Türen. Dieses Signal bleibt stark, auch wenn die Umsetzung künftig noch inklusiver gedacht werden sollte.
Politische Filme, die in der Gegenwart stehen
2025 war reich an Filmen, die nicht nur Geschichten erzählen, sondern klare politische Fragen stellen – unbequem, notwendig, dringlich.
- Aisha Can’t Fly Away (Morad Mostafa, 2025) – Migration nicht als Randthema, sondern als politische Realität; man verlässt das Kino mit der Frage, wie lange wir Zuschauende bleiben wollen.
- Put Your Soul on Your Hand and Walk (Sepideh Farsi, 2025) – Gaza kommt ins Kino; der Film verweigert die bequeme Distanz und brennt sich als Gespräch ins Gedächtnis.
- Rental Family (Hikari, 2025, Abschlussfilm) – ja, 90er-Feelgood-Kitsch und Tränendrüse; doch dahinter eine scharfe Kritik am Neoliberalismus: Nähe darf kein Mietmodell sein, Verantwortung keine Privatangelegenheit. Der Film unterläuft den engen Familienbegriff und erinnert, dass Solidarität gesellschaftlich ist.
- La Petite Dernière / Die jüngste Tochter (Hafsia Herzi, 2025) – In dieser Geschichte zeigt sich die intersektionale Dimension von Identität – wie sich queere Lebensentwürfe mit Erfahrungen von Herkunft, Migration und sozialer Verwundbarkeit verschränken. Besonders eindrücklich: die starke schauspielerische Leistung, die den Film trägt und ihm Tiefe verleiht.
Vielfalt im Programm – sichtbar, eingeladen, anwesend
Besonders stark: die Breite der Herkunftsländer. 2025 liefen Filme aus 55 Ländern – darunter viele Regionen, die auf westeuropäischen Festivals traditionell unterrepräsentiert sind. Das Entscheidende: Diese Vielfalt war vor Ort spürbar – mit internationalen Gäst*innen, vollen Kinos und spürbarem Austausch. Laut Festival kamen rund 2.000 nationale und internationale Industry-Gäste; der Schlussabend unterstrich den Charakter des Festivals als Treffpunkt für Publikum und Filmschaffende. Genau das macht die Vorführung „live“ so wertvoll.
Verbesserungsbedarf – wo das Festival noch mutiger werden könnte
Freier Eintritt, aber bitte ohne Hürden
So schön die kostenlosen Tage sind: Das Online-Windhundprinzip verhindert, dass sie wirklich jene erreichen, die es am meisten brauchen. Niedrigschwelligkeits-Upgrade-Möglichkeiten: Voranmeldungen, Same-Day-Wartelisten, gezielte Kommunikation an soziale Einrichtungen.
Ticketing für Akkreditierte
Es fehlt die Möglichkeit, Tickets zurückzugeben. Das ist unglücklich – denn so bleiben Plätze leer, die andere gerne genutzt hätten. Ein flexibles System würde allen zugutekommen.
Fazit – Kino als kollektiver, politischer Raum
Das Filmfest Hamburg 2025 hat gezeigt, wie Kultur Haltung zeigen kann – in Reden, in Filmen, in Gesten. Es war ein Festival, das nicht weggesehen, sondern hingeschaut hat; eines, das Filme nicht als Flucht versteht, sondern als Mittel, Gegenwart gemeinsam auszuhalten und zu verändern. Für 2026: noch konsequenter im Zugang, noch mutiger im Rahmen – damit Kino nicht nur bleibt, was es ist, sondern stärker wird, was es sein kann: ein politischer, kollektiver Raum inmitten unserer Stadt.