Black Friday For Future (2023)

Der französische Film Black Friday For Future (original: Une année difficile) von Eric Toledano und Olivier Nakache hat mich wütend gemacht – so sehr, dass ich nun nach langer Zeit aus einer Schreibpause zurückkehre und einen Artikel über diesen Film verfassen muss. Der deutsche Titel des Filmes spricht bereits an, was uns erwartet: Konsumkritik im Kontext der linken Klimabewegung. Oder nicht?

Die Gründe fürs Wütend sein

Ich möchte es nicht zu lange vorwegnehmen – dieser Film macht mich wütend, aus den falschen Gründen. Man würde sich wünschen, dass Black Friday For Future in einer differenzierten Debatte ein Gefühl der Wut, Panik oder des Zorns hervorrufen würde, so, dass die linke Bewegung einen Schub erfährt; so, dass man sich mit den Zielen der Bewegung identifizieren kann; so, dass die Gefahren des Klimawandels wieder greifbar werden; so, dass die Bewegung verstanden wird; so, dass sie eine differenzierte Darstellung erfährt, insbesondere bei dem Widerstand, dem sie aktuell in der Gesellschaft ausgesetzt ist. Stattdessen fühle ich mich in der eigenen linken Identität angegriffen.

Black Friday For Future – oder: Die Letzte Generation im Hollywood-Gewand

Mit der linken Bewegung geht ein komplexer, gesellschaftskritischer Wertekanon einher, welcher nicht nur die Auseinandersetzung und den Protest wegen des Klimawandels betrifft, sondern einer grundsätzlichen Haltung bezüglich sozialer und gesellschaftlicher Normen – eine Darstellung einer Gruppierung (und hier ist das französische Pendant zur Die Letzte Generation „Dernière Rénovation“ klares Vorbild) muss ein entsprechendes differenziertes Werteprofil präsentieren. Dies betrifft Inhalt, Form, Kommunikation und insbesondere Dramaturgie des Filmes. Zu diesem Wertekanon gehören gesellschaftliche Perspektiven aufs Miteinander: Liebe, Geschlechterrollen, männliche Identität, Queerfeminismus. Das Regisseuren-Duo macht in diesen Punkten fast alles falsch.

Eine dramaturgisch konventionelle Hollywood-Liebesgeschichte wird mit der Darstellung einer linken Protestgruppe kontextualisiert; man nehme den Protagonisten Albert, der zunächst mittels mehr-oder-weniger legalen Methoden des Verkaufs von Schnäppchenware (eben z.B. vom Black Friday Einkauf; wird wegen des exzessiven Konsums im Film kritisiert) und durchs Containern erretteter Waren seinen Lebensunterhalt verdient  – er ist hochverschuldet und kämpft um Erlass seiner Kredite. Immer wieder scheint dabei ein antiquiertes Männlichkeitsbild von Albert hindurch, insbesondere in der Herabwürdigung der Klimabewegung und dem dort dargestellten Miteinander (so geben sich die Beteiligten Spitznamen, wie etwa Kaktus oder Küken; findet er lächerlich)

Die Schnittmenge zwischen Albert (der im kapitalistischen System bestraft wird; sich sogar durchs links-assoziierte Containern über Wasser hält) und der linken Klimabewegung (die im kapitalistischen System ein nicht tragbares und unsoziales Wachstum identifiziert) ist eigentlich eine gelungene Ausgangslage – letztendlich wird dieser Weg auch grundsätzlich bestritten und stiftet den Aussagekern des Filmes: Die linke Klimabewegung ist essenziell auch eine soziale Bewegung, die insbesondere kapitalistische Ungleichheiten bekämpft.

Man möchte meinen: Der Film geht einen richtigen Weg. Wäre er nicht grundsätzlich mit falschen Gedankenfäden gestrickt.

Falsche Erkenntnisse – Falsche Liebe – Falsche Motive

Jeder gute Film braucht eine romantische Liebesgeschichte? Tja, das haben sich die beiden Regisseure wohl auch gedacht – und hier läuft leider alles schief, was schief laufen kann. Albert verliebt sich in Kaktus – eine der führenden Personen der Klimabewegung; und in jeder Interaktion trieft es von heteronormativen romantisierenden Ideen Hollywoods; es trieft von antiquierten Männlichkeitsbildern und Idealen; es trieft von einem grundsätzlich (überaus unwitzigen) sexualisierten Humor; es trieft von einem konservativen Miteinander. Hier liegt der emotionale Kern des Filmes und konterkariert damit genau das, was die linke Bewegung trägt – den Aufbruch von gesellschaftlichen Normen, der Weg zu einem neuen Miteinander.

Albert, zunächst wegen falscher Motive des schnellen Geldes (so werden etwa gebrauchte Möbel und Gegenstände von der Klimabewegung gesammelt; Albert verkauft sie heimlich) und dann wegen noch falscherer Motive (wegen der Liebe zu Kaktus), findet seinen Weg in die Klimabewegung. Wie wäre es, wenn die tatsächliche Erkenntnis der Klimabewegung als soziale Bewegung ihn überzeugen würde? Wie wäre es, wenn das Wertenetz tatsächlich einen Zugang schafft, um die soziale Bewegung mit der Klimabewegung zu verbinden? (Nun gut.. das wäre ja zu einfach.)

Nein, die Regisseure haben die linke Klimabewegung nicht verstanden: Sie bedienen sich sexistischer Klischees für billige Lacher. So wird eine Geste der Zärtlichkeit wie eine Umarmung sexualisiert; Empathie wird vom Protagonisten Albert vorgetäuscht, um aus der Umarmung eine sexuelle Körperlichkeit zu erstellen – wie unglaublich witzig. Und ja: Witze nach diesem Schema einer toxischen und manipulierenden Männlichkeit durchziehen Black Friday For Future und entziehen dem Werk jedwede Glaubwürdigkeit. Es wird sogar zum Witz gemacht, dass ein älteres, weibliches Mitglied des Klimaprotests einem Freund von Albert gegenüber übergriffig wird: Dieser stellt zunächst klar, dass er bloß eine Umarmung möchte, wird dann jedoch an seinem Hintern gepackt; dann löst er sich, stellt klar, dass er das nicht möchte; und ja, dann wird er geküsst. Und das wird dann humoristisch eingebettet – denn, ein Übergriff gegenüber einem Mann in dieser Art sei ja okay? Sogar witzig? Hey, danach kommen die beiden sogar zusammen. Noch viel schlimmer: Das weibliche Gegenüber wird mit sehr typischen weiblichen Komponenten gezeichnet – und ja, doch, letztendlich als nicht-ernst-zunehmen. In diesem Sinne wirkt der Film sogar grundsätzlich antifeministisch – aber nun gut, was will man erwarten, wenn die beiden Hauptpersonen in solch einem Film Männer sind.

Und am Ende erobert Albert seine geliebte Kaktus. Was für ein Hollywood Happy End. Weil er sie beschützt und für sie da ist, nach einem Autounfall. Wuhuuuuuuuuuuu.

Fazit

Hier hat jemand die linke Klimabewegung nicht nur falsch verstanden, sondern kommerzialisiert und in ein (billiges, und dramaturgisch schlecht ausgearbeitetes) Hollywood-Standardformat verpackt – das sogar für Hollywood selbst veraltet wirkt; wer eine moderne politische Bewegung und Generation begreifen möchte, der sollte sich doch bitte ernsthaft mit dem komplexen Wertekanon beschäftigen. Ich bin wütend.

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