El Clan
„El Clan“ (2015) von Pablo Trapero
Vor etwa einem Jahr sah ich den Film „A Most Wanted Man“. Zwei Elemente haben für mich diesen Film geprägt. Erstens: Philip Seymour Hoffman stiehlt allen die Show. Zweitens: Hamburg, meine Heimatstadt. Ich muss gestehen, dass ich „A Most Wanted Man“ nicht besonders mochte, nichtsdestotrotz verbinde ich den Film mit diesen beiden Punkten. Wenn etwa auf Kunst oder Politik in Referenzen verwiesen wird und dazugehörige Konnotationen mit einer gewissen emotionalen oder bedeutungsgebenden Wirkung verbunden sind, dann funktionieren jene Referenzen bloß bei ebendiesen Personen, die sie wahrnehmen, kennen und verstehen.
Kein Wunder also, dass der Film „El Clan“ von Pablo Trapero in Argentinien wie eine Bombe einschlägt, besonders dann, wenn man bedenkt, dass es sich dabei um einen recht soliden Thriller handelt, der einen spannenden Kriminalfall Argentiniens behandelt. So bricht dieser Film derzeitig alle argentinischen Kinorekorde.
„Ich kann mich noch ziemlich gut an die Schlagzeilen erinnern: Wohlhabende Familie entführt Freunde aus deren Zuhause? Das war so bizarr, merkwürdig. Wie kann man das vergessen?“ – Pablo Trapero.
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„El Clan“ erinnert mich an Sneak Previews, die sich in den letzten Jahren einer großen Beliebtheit an deutschen Kinos erfreuen dürfen. Ich prophezeie, dass „El Clan“ an zahlreichen Kinos in der Sneak Preview laufen wird – Zuschauer werden zufrieden sein: „Der war doch ganz gut!“, wird es heißen. Und zugegeben: Der Film hatte durchgehend meine Aufmerksamkeit – nie wäre mir in den Sinn gekommen, etwas anderen zu tun, während ich diesen Film sah. „El Clan“ ist interessant, eben aus jenen Gründen, die der Regisseur selbst anführt: Die Familiendynamik ist außergewöhnlich.
Doch bei all dem Interesse stellt sich mir die Frage: Was soll dieser Film eigentlich sein? Die einfachste Antwort wäre ein Thriller. Doch dafür ist er nicht spannend genug – die Erzählstruktur erlaubt keine Höhenflüge der Spannungskurve, da zu viele Informationen zum Handlungsverlauf frühzeitig gegeben werden. So weiß der Zuschauer schon gegen Mitte des Filmes, wie der Film enden würde. Ein Familienporträt? Es handelt sich beim Puccio Clan um eine doch recht wohlhabende Familie, dessen Familieneinkommen im Wesentlichen durch Entführungen von Freunden oder Bekannten und dem damit zusammenhängenden Lösegeld bestimmt wird. Routine. Das ist eben das, was die Familie so macht. Interessanter Stoff für eine Charakterstudie, würde man meinen! Die Ansätze sind da. Doch die Charaktere sind zu oberflächlich geschrieben. Dazu kommen mäßige Leistungen der Schauspieler, was im Endeffekt dazu führt, dass die Handlung den Film tragen müsste – doch um diesen Zweck zu erfüllen, wird sie falsch erzählt.
Es ist offensichtlich, dass dieser Film so nicht als reiner Thriller funktioniert. Trapero zielt auf eine interessante Familiendynamik ab – eine Art Charakterstudie also, insbesondere wegen einer Vater-Sohn-Dynamik die besonders stark ausgearbeitet wird und im Fokus liegt. Während die Handlung den Inhalt bestimmt, sind jene Beziehungen der Part, in welchem der Regisseur Aussagen über die menschliche Natur trifft. Neben den handwerklichen und gestalterischen Anteilen ist das jener Teil, in welchem sich die künstlerische Schöpfung des Regisseurs und Drehbuchautoren offenbart. Jenen Szenen, die diesen Zweck erfüllen sollten, fehlt jedoch eine ordentliche Portion Ruhe, Feingefühl und Substanz. Leider wird schnell klar: In diesen Bereichen hat er nichts Neues zu erzählen.
Bild aus: „El Clan“, © Twentieth Century Fox, PROKINO, 2015