Transparent

Es geht nicht um Sensibilität. Es geht um Normalität.

„Transparent“ betitelt den Lichtblick der Eigenproduktionen Amazons, welcher sich das ganz eindeutige Ziel gesetzt hat, Offenheit als Wert in der Serienlandschaft in einem bis dato unerreichtem Ausmaß zu verankern. Die Serie wirkt wie ein Querschnitt einer bestimmten Form der gesellschaftlichen Entwicklung, welche sich in politischen Modebegriffen widerspiegelt und allgegenwärtig ist. Damit sind wichtige Diskurse gemeint, die die öffentliche und akademische Diskussion prägen, wie beispielsweise Gender oder Feminismus. Eine entsprechende Entwicklung zeichnet sich schon seit einigen Jahren bei der Realisierung von Identitäten in den Medien ab, die von dem klassischen Menschenbild abweichen, welches unter Anderem die normale Familie bestehend aus Mann, Frau und Kind als Ideal enthält. Während Spielfilme und Serien inzwischen außerordentlich starke Frauenfiguren repräsentieren und diese zur Normalität geworden sind, konzentriert sich diese Serie im Wesentlichen auf eine Umsetzung in den Bereichen der Geschlechtsidentitäten und der freien Rollenfindung von Personen. Der Anspruch dieser Serie ist, diesen Wandel in Form und Inhalt abzubilden. Sie übersteigt somit den gewöhnlichen Gedanken jenen gesellschaftlichen Wertewandel lediglich gerecht zu werden, indem sie versucht, jene Wertvorstellungen an sich zu repräsentieren.

Diese Verankerung in der Normalität wurde durch gestalterische Mittel verwirklicht, welche ein realistisch wirkendes Abbild erzeugen sollen. Dies zeigt sich bereits beim Intro, welches Personen bei Familienfeierlichkeiten auf Bildern und Videos von veraltet wirkender Qualität zeigt. Offensichtlich sollen sie eine Stimmung erzeugen, die der des Erinnerns von schönen Situationen vergangener Zeiten entspricht. Der Zuschauer kommt ins Schwelgen. Das Intro wird von ruhiger Klaviermusik begleitet und löst im Wesentlichen ein Gefühl aus: Das ist das Leben.
Meiner Ansicht nach ist dies eine gelungene Umsetzung der Idee, die zu bearbeitenden Konzepte ins Realitätsgefühl des Zuschauers zu bringen und zu stabilisieren. Der Titel wurde geschickt gewählt: „Transparent“, so Wikipedia, bezeichnet in der Philosophie jenen Zustand eines Subjektes, in welchem das Subjekt sich seines eigenen Zustandes bewusst ist; oder wie hier, sich seiner eigenen Identität. In dieser Hinsicht haben die kreativ Schaffenden alles richtig gemacht, um die Bedeutung des Werkes in der Form der Präsentation zu erfassen.

Bildkompositionen leben nicht vom Spiel der Farben oder auffälligen Mustern und Symbolen und wirken stattdessen realistisch. Dies ist soweit gelungen und fügt sich den bisherigen Ausführungen. Problematisch ist jedoch die inhaltliche Umsetzung, die aus dem wirklich guten Anspruch lediglich eine gute und unterhaltsame Serie macht, obwohl sie das Potenzial gehabt hätte, großartig zu sein. Ursächlich dafür ist die starke Fixierung auf zwei Handlungsmotivationen, welche die Geschichte antreiben und vielmehr einen erheblichen Einfluss auf die Zeichnung der Charaktere haben.

Es sollte der Anspruch der Gesellschaft sein, mögliche Identitäten von Personen in der gesamten Breite in das Konstrukt der sozialen Normalität zu integrieren. Während sich jener Punkt mit den Intentionen der Serie deckt, entspricht eine exzessive Fixierung auf Sexualität und Identität einer unangemessenen, verzerrten Abbildung der Realität. Dies betrifft beispielsweise die Gestaltung des Charakters Morton L. Pfefferman. Er ist Familienvater, Professor und transsexuell. Er würde gerne Maura sein. Sämtliche Handlungen, die Tiefe in die Person bringen sollen, stehen im direkten Zusammenhang mit seiner sexuellen Identität. Dies erfüllt nicht den allgemeinen Ansprüchen eines authentischen Charakters, welcher zweifellos auch anderen Elementen des Lebens Aufmerksamkeit schenken würde. Der Konflikt der Identität sollte lediglich ein Teil des Ganzen sein. Weiterhin trifft jener Punkt auf die Darstellung seiner Kinder zu, und somit aller Hauptfiguren. Im Wesentlichen konzentriert sich die Handlung auf die Sexualität und Identitäten der Personen. Durch diese extreme Gewichtung verliert die Serie ihre natürliche Balance und erhält einen karikaturistischen Charakter, welcher mit der grundlegenden Idee der Serie nicht konform ist.

Doch ist die Serie eins: Kurzweillig. Sie bringt einfach Spaß. Die Schauspieler sind überzeugend und das Pacing erscheint hervorragend zu sein. In der künstlerischen Umsetzung ist „Transparent“ jedoch sicherlich kein Meisterwerk. Als Comedy-Drama sollte der Anspruch weitaus größer sein, als reine Unterhaltung zu bieten. Dies schafft diese Serie bereits wegen der umgesetzten Idee. Doch aufgrund der Unwucht der Charakterzeichnung und Handlung verliert das gesamte Werk an Authentizität und dadurch fehlen jene Charakteristika, die aus „Transparent“ etwas Großartiges machen würden. Es verfehlt damit das höhere, künstlerische Ziel tiefgreifende Emotionen zu erzeugen und über die Idee hinausgehend etwas Unvergleichbares zu erschaffen.

Weiter zur Kritik der zweiten Staffel von Transparent

Bild: Aus „Transparent“,  © 2014 Amazon.com Inc.

Add a Comment