Springsteen: Deliver Me from Nowhere
Nach Queen, Elton John, Elvis, Bob Dylan und zahlreichen anderen ist nun auch Bruce Springsteen an der Reihe: Er bekommt sein eigenes Musiker-Biopic.
Auch, wenn Filme dieses Genres (das auch in seiner aktuellsten Hochphase mit Weird: Die Al Yankovic Story schon kompetent parodiert wurde) in der Regel bereits unter der Last ihrer eigenen Klischees zugrunde gehen, scheint die Gattung aktuell nicht totbekommen zu sein. Obwohl zuletzt sogar Like A Complete Unknown trotz Timothy Chalamet und zahlreichen Oscarnominierungen finanziell enttäuschte wird uns das Genre noch einige Jahre begleiten. So stehen bereits Michael (2026) und vier (!) Beatles-Filme (2028) in den Startlöchern.
Zu sehr locken wohl die potentiellen Einspielergebnisse, wie sie Bohemian Rhapsody (2018) hervorbrachte und mögliche Auszeichnungen für Schauspieler*innen, die versuchen Mimik und Gestik der portraitierten nachzuahmen, oft unter besonderer Hilfestellung der Maske, für die dann ebenfalls der eine oder andere Award abspringt.
Dennoch versucht dieser Filme seinen eigenen „Spin“ in die Sache zu bringen – seien es ein Affe als Protagonist in Better Man (2024), das Buz Luhrman-immitierende, halb pop-psychedelische von Rocketman (2019) oder eben die musicalhaft energetisch-spektakuläre einer Inszenierung von Buz Luhrman selbst bei Elvis (2022). In der Regel ordnet sich dieser Aspekt aber den dem Genre aufgezwungenen Klischees und dem sich aus diesem ergebenden Plot unter.
Auch Springsteen: Deliever Me From Nowhere kann sich diesen nicht entziehen. So werden beispielsweise (Schein-)Zusammenhänge zwischen Bruces Erlebnissen und seinen Liedern durch passende Schnitte hergestellt und der kreative Schaffensprozess komplett entmystifiziert. Es stellt sich, wie in allen vergleichbaren Filmen auch, ernsthaft die Frage, ob nicht eine KI durch Neuzusammenwürfelung hereingegebener Inhalte eine höhere Schaffenskraft hat als die portraitierten Künstler – immerhin dürfte es den meisten Menschen schwerer fallen die Funktionsweise der künstlichen Intelligenz zu verstehen als die hier aufgemachten Scheinkausalitäten.
Der Film von Regisseur und Drehbuchautor Scott Cooper (Crazy Heart) legt auf diese jedoch keinen besonderen Fokus. Zwar bietet er all die vmtl. von Publikum und Studio herbeiersehnten Bestandteile eines Musiker-Biopics, doch insbesondere beim erwartbaren Clash mit der Plattenfirma, welche der musikalischen Vision des Künstlers im Weg steht, wird deutlich, wie uninteressiert Cooper eigentlich an den Standardbestandteilen des Genres ist. Nicht nur, dass der eigentliche Manager Springsteens, Jon Landau, diesem treu zur Seite steht, den Konflikt mit dem Label „Atlantic Records“ führt Springsteen nicht einmal selbst. Stattdessen klärt Landau diesen in einem einzelnen Gespräch in einer dreiminütigen Sequenz. Wer zum falschen Zeitpunkt im Kino auf die Toilette muss, verpasst diesen, doch eigentlich für ein Musiker-Biopic essenziellen, wenn nicht sogar oft zentralen Bestandteil des Films vollkommen.
Doch Cooper geht es offensichtlich auch weniger darum, den Aufstieg und Erfolg Springsteens zu beschreiben oder aufzuzeigen, wie vermeintlich dessen Musik entstehe und welchen Traumata sie entstammt. Stattdessen konzentriert er sich auf eines der Kapitel in Bruce Springsteens Leben, als dieser besonders mit seiner Depression zu kämpfen hatte – die Zeit rund um die Entstehung des Albums „Nebraska“.
Wenngleich Cooper die Gefahr von Scheinkausalitäten auch und gerade in diesem Themenfeld bewusst ist, erliegt er leider doch auch hier der Inszenierung eben dieser. Zwar verkündet eine Texttafel am Ende des Films, dass die Aussöhnung mit dem Vater bzw. das Vergeben eben diesem Springsteens nicht zur endgültigen Heilung seiner Depression führt – filmisch wird uns aber vorher anderes erzählt. Rückblenden in die Kindheit des Künstlers, einfach aber effektiv in einer klaren Schwarz-Weiß Ästhetik gehalten, wirken durch die Schärfe der Bilder mindestens genauso präsent wie die in Farbe gehaltenen Abschnitte aus Springsteens erwachsenem Leben. Diese stilistische Präsenz wirft ihren Schatten auch inhaltlich, sodass nicht nur die Genese von Springsteens künstlerischem Werk vereinfacht auf diese zurückgeführt wird, sondern auch die seiner Erkrankung. Angesichts der schauspielerischen Leistungen und dem offensichtlichen Versuch trotz kommerzieller Orientierung Springsteens Biographie filmisch etwas abseits ausgetretener Pfade zu erzählen ist dieses Scheitern bedauerlich. Doch scheitern kann nur, wer etwas wagt und versucht, weshalb dieses Musiker-Biopic immer noch sehenswerter ist, als viele anderen Verteter seines Genres.
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