Weil du nur einmal lebst – Die Toten Hosen auf Tour

„Weil du nur einmal lebst – die Toten Hosen auf Tour“ will eine Dokumentation sein, die intime Momente einer der erfolgreichsten Bands Deutschlands zeigt, ist aber nicht mehr als ein Fan-Service, der als Beilage für das nächste Album dient.

Mit einer Hand fährt Andreas Frege sich durchs zerzauste Haar, Schweißtropfen rinnen ihm vom gezeichneten Gesicht. Das ist er also, der Frontmann der wohl erfolgreichsten Punkband, die Deutschland je gesehen hat: Campino, Sänger der Toten Hosen. „Ich bin noch keine 60, und ich bin noch nicht nah dran“, singt Campino (57) auch heute noch, wenn die Toten Hosen ihren Fans das „Wort zum Sonntag“ präsentieren.  „Weil du nur einmal lebst“ begleitete die Toten Hosen 2018 ein Jahr lang durch Deutschland, die Schweiz und sogar Südamerika und nimmt die Kinobesucher mit in den Backstage-Raum. Längst geht es dort aber nicht mehr so zu wie es einst einmal war. Tote Hose bei den Toten Hosen. Die Toten Hosen sind eben erwachsen geworden und touren inzwischen seit über 35 Jahren durch die Welt.  Doch auch 2018 war für die Hosen ein Jahr, in dem eigentlich viel passiert ist: Die Hosen spielten bei „Wir sind mehr“, einem Konzert gegen Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt in Chemnitz, Campino erlitt auf der Tour einen Hörsturz, die Tournee musste unterbrochen werden und die Hosen spielten erstmals in China – und wurden prompt zensiert.

Letzteres wurde gar nicht erst erwähnt, Campinos Hörsturz und das Chemnitz-Konzert wurden in wenigen Minuten abgearbeitet. Warum eigentlich? Die Toten Hosen verschreiben sich seit Jahren dem Kampf gegen Rechts. Hier thematisch tief einzutauchen, wäre wahrscheinlich wirklich spannend gewesen. Passiert aber nicht. Und wenn das Gesicht der Band – und das ist Campino nun einmal – wegen eines Hörsturzes ausfällt und es fraglich ist, ob er überhaupt wieder auf Konzertreise gehen kann, ist das eigentlich ungeheuer dramatisch. Doch leider gelingt es der Dokumentation auch in diesen Momenten nur selten wirklich intime Bilder der Musiker aufzufangen.

Lieber folgt der Film streng dem Muster, in dem erst ein Song von einem der vielen Konzerte gezeigt wird, und anschließend auf krampfhafte Weise versucht wird aus diesen Liedern tiefgründige Fragen abzuleiten, die im Interview oder im Backstage behandelt werden.  „Wie viele Jahre kann das so weitergehen? Wie viele Jahre, wie viel Zeit, die für uns übrig ist?“ dröhnt der Hosen-Song „Wie viele Jahre“ vom neuesten Album durch die Boxen – die Band erzählt anschließend vom Älterwerden auf Tour. Noch ein Beispiel? „Komm, wir klauen uns ein Auto, Ich fahr‘ dich damit rum. Und wir spielen Bonnie und Clyde“. Eine Zeile aus dem Evergreen der Toten Hosen „Bonnie und Clyde“. Und Campino erzählt davon, wie ihm einst das Auto gestohlen wurde und er seitdem lieber aufpasst, was er in seinen Liedern ins Mikrofon singt. Keine Frage: Das ist durchaus unterhaltsam für Fans und Liebhaber der Hosen. So funktionieren launige Tour-Dokumentationen. Aber es muss die Frage erlaubt sein: braucht so ein Film wirklich die große Kinoleinwand? Andere Künstler aus musikalisch ähnlichem Genre wie beispielsweise die verhassten Musiker von Frei.Wild oder den Böhsen Onkelz laden solche Tour-Tagebücher auf YouTube hoch oder legen sie dem nächsten Album oder der nächsten Live-DVD bei.

Das Problem der Toten Hosen ist aber auch ein ganz anderes. Die Musiker haben seither kein Blatt vor den Mund genommen und sich gern öffentlich zu Wort gemeldet: Zu politischen Themen, gesellschaftlichen Problemen, Streitereien mit anderen Bands und zu all den anderen Dingen, bei denen ihnen etwas auf der Seele brannte. Das schafft Nähe zu den eigenen Fans, macht es aber auch ungeheuer schwer in einer Dokumentation etwas zu erzählen, das noch nicht bekannt ist. So bleibt „Weil du nur einmal lebst“ ein recht oberflächlicher Einblick, der Fans das zeigt, was sie schon wissen.