The French Dispatch

Wes Anderson: Manchmal habe ich das Gefühl, er wird unterschätzt. Auch von mir. The Grand Budapest Hotel oder Moonrise Kingdom sind außerordentliche Filme, Meisterleistungen. Trotzdem höre ich seinen Namen selten oder nie in Aufreihungen der größten Filmemacher – vielleicht, weil es nicht so recht schafft, unser Herz wirklich in der Tiefe mit den klassischen Handgriffen des seeligen Glücks oder der melancholischen Trauer zu berühren. Wes Anderson malt in anderen Farben, die eben nicht die klassischen (epischen oder überaus dramatischen) Meisterwerke für uns zeichnen. Seine Farbpalette ist dabei jedoch ganz und gar einzigartig, und er bedient sich seiner Farbpalette in perfektion.

Gleichzeitig weiß er uns auf ganz besondere Art und Weise im innersten unserer Seele zu kitzeln, findet dabei Zugang zu einer kindlichen Begeisterung die seine Filme so einzigartig macht. Es ist ein anderes Gefühl, ein neues Gefühl, und damit entführt er uns in eine komplett neu geschaffene, geniale Emotionswelt.

In seinem neuesten grandiosen Ensemble Film „The French Dispatch“ nutzt er diese Fähigkeit gekonnt aus und findet in einer episodenhaften Erzälstruktur immer wieder neue Höhepunkte um unsere Seelen so leicht wie eine Feder durch die Spielzeit schweben zu lassen.

Ein grandioses Handwerk

Dabei geht es in diesem Werk um das Erzählen an sich – und die Art des Erzählens ist bei Wes Anderson ganz und gar einzigartig. Es geht um das Erzählen im kreativen Journalismus und findet seinen Höhepunkt in dem Fakt, dass es in jedem Zeitungsartikel (welche in diesem Film wortwörtlich zum Leben erwachen) wiederum um das kreative Wirken in verschiedenen Bereichen geht: Kreativität in Form der Malerei, Kreativität in der Form eines Manifests, Kreativität in der Form des Kochens und Kreativität in der Form der Verbrechensbekämpfung – in ganz unterschiedlichen Geschichten nutzt Wes Anderson sein gesamtes Repertoire um diese Geschichten in einer eindrucksvollen Pracht zu erzählen. Dabei ist er penibel, perfekt – jedes kleinste Detail erscheint durchdacht.

Journalismus

Vielleicht geht es Wes Anderson ein wenig darum, die Potenziale im kreativen Schreiben durch dieses Werk aufzuzeigen – er zeichnet eine gelungene Karikatur verschiedener Journalisten und stellt sein unglaubliches Ensemble mit all ihren Stärken perfekt in Szene: Owen Wilson, Jason Schwartzman, Tilda Swinton, Frances McDormand, Timothée Chalamet, Adrien Brody, Christoph Waltz, Léa Seydoux und natürlich der fabulöse Bill Murray. Er nutzt diese Schauspieler nicht nur für bloßes Namedropping – er nutzt sie perfekt, um damit die Journalisten und Charaktere (durchaus Karikaturen und „Charakterköpfe“) mit feinsten Linien zu zeichnen.

Und da jede Geschichte mit einem „eigenen Journalisten“ verbunden ist, beginnt bereits das stärkste Argument: Die kreative journalistische Arbeit spiegelt die Persönlichkeit des Autors wider. Das journalistische Schreiben wird nicht durch die bloße faktische Darlegung eines Sachverhaltes interessant – vielmehr verbirgt sich dahinter eine Charakterisierung des kreativ schaffenden Autors.

Hochwertige Unterhaltung

Selten habe ich so viel und durchgehenden Spaß im Kino gehabt, gleichzeitig hatte ich das Gefühl: Wes Anderson möchte mir tatsächlich etwas Spannendes erzählen. Es steckt mehr dahinter als die (für manche schon prätentiös anmutende) Perfektion der Form, hier offenbart uns Wes Anderson seine Seele in dem er einen Film über die Liebe des Erzählens macht. Damit trägt er uns federleicht durch die gesamte Spielzeit des Filmes und lässt unsere Seele baumeln. Gleichzeitig hat man das Gefühl: Hier weiß jemand jeden Handgriff in Perfektion zu setzen, er weiß ganz genau welchen Strich er mit welcher Schattierung nutzt, welche Töne er setzt und wie er seine Kamera platziert. Hier ist ein Meister am Werk. Mit The French Dispatch hat er uns dies wieder einmal bewiesen.

©Searchlight Pictures