Outgrow the System: Über Kapitalismuskritik, Postwachstum und Utopien im Lichtmess

Verschiedene Player*innen kapitalismuskritischer und umwelt- und klimaaktivistischer Bewegungen haben als Doughnut Coalition Hamburg zum Film „Outgrow The System“ von Cecilia Paulsson (Schweden, 2023) am vergangenen Montag ins Lichtmess Hamburg eingeladen.

Nach Filmvorführung wurde die Transformation hin zu einer neuen Ökonomie diskutiert – von der politischen Perspektive realer Veränderungen innerhalb der Hamburgischen Bürgerschaft durch die Abgeordnete der GRÜNEN Miriam Block und dem Mitglied des Landesvorstands von Die Linke Hamburg Eric Golbs, über Bewegungen wie die Wähler*innenvereinigung „Rettet Hamburgs grün“ vertreten durch Joachim Lau, Tom Petersen mit dem Hamburger Zukunftsentscheid, bis hin zur Autorin Anne Klingenmeier, des kapitalismuskritischen Buchs „Öffentlicher Luxus“.

Zum Film: In „Outgrow The System” wird fast wie in einem Lexikon ein utopisches Wirtschaftsmodell nach dem anderen beschrieben. Die Ökonomie wird ganz in dem Prinzip des begrenzten Wachstums diskutiert, mit der Existenz der Ökonomie für den Menschen – statt der Existenz des Menschen für die Wirtschaft. Jedes Modell betont andere Komponenten einer neuen Ökonomie: Sei es eine Demokratisierung von Unternehmensstrukturen oder die Betonung nachhaltiger und lokaler Wirtschaft.

Bei jedem Modell fehlte der Weg dorthin: Klar, (fast) jede*r wünscht sich Beteiligungsstrukturen, Selbstwirksamkeit, (fast) jeder wünscht sich eine Erde auf der wir ohne Armut, Leid und unter Erhalt der Umwelt und Natur leben können – jede*r will seine Bedürfnisse erfüllt wissen. Und… jedes dieser Modelle wirft die Frage auf: Hä? Wieso ist es denn noch nicht so? Wir haben doch diese coolen Modelle, warum ändern wir nichts? – und genau hier setzt meine Kritik an: In der komplexen Welt brauchen wir einen Weg dorthin – realistische Transformationsproesse innerhalb einer globalisierten, vernetzten Welt. In gegenseitiger Abhängigkeit internationaler Player*innen in demokratischen Prozessen ist das gar nicht so einfach.

Gerade deswegen war die anschließende Diskussion (die hervorragend moderiert wurde Lenja Rother) so wichtig: die verschiedenen Widerstände der komplexen Welt wurden deutlich, zwischen Missmut, Enthusiasmus und realpolitischem Veränderungsdrang und der dazugehörigen Trägheit: Dissens und Zusammenarbeit, und am Ende: Wir alle haben doch das gleiche Ziel! Damit wir als Gesellschaft einen gemeinsamen Weg in Richtung Zukunftsszenarien gehen können braucht es Diskurs, und diesem wurde im Rahmen dieser Veranstaltung Raum gegeben.

Schade fand ich dabei den hier und da aufkommenden Antiparlamentarismus in einer populistischen Vereinfachung – (und hier außerdem eine Kritik an den Film, welcher ähnlich arbeitet) – aus einer gemeinsamen demokratischen Bewegung zu einem Ziel wird ein „die Politiker*innen da oben“ gegen die Gemeinschaft, und genau so sollte unsere Demokratie doch das Zusammenleben nicht verstehen. Ein Gegeneinander hilft uns unter Demokrat*innen nicht.

Mein Fazit: Mehr davon. Die politische und gesellschaftliche Debatte gehört ins Kino. Der volle Kinosaal und die rege Beteiligung des Publikums machen Mut. Wir müssen ins Gespräch kommen. Diese Formate eignen sich dafür hervorragend. Und dafür: Danke an die Doughnut Koalition und das Lichtmess!

Bilder: © Andreas Strube / KinoKulturHamburg
Titelbild und Trailer: © RåFILM