Mademoiselle Hanna und die Kunst Nein zu sagen

Im Presseheft wurde das Nein im Titel des französischen Filmes der jungen Regisseurin Baya Kasmi kursiv abgedruckt: „Mademoiselle Hanna und die Kunst Nein zu sagen“. Schließlich handelt es sich um einen außerordentlich schrägen Film. Es geht um Gegensätze von Freiheit und Tradition. Der Film wird seinem Titel gerecht: Manchmal muss man eben Nein sagen.

Zum Inhalt des Filmes. Eine algerische Einwandererfamilie. Vater, Mutter und ihre erwachsenen Kinder: Tochter Hanna und Sohn Hakim. Sie bestreiten das ganz normale Familienleben mit ihren typischen Konflikten und Streitereien auf der Suche nach Identität und Anerkennung. Der Vater der Familie kann nicht Nein sagen. In seinem kleinen Laden verkauft er allerlei Dinge des Alltags. Seine größte Angst ist, dass er die Wünsche seiner Kunden nicht erfüllen könnte. Ähnliches betrifft seine Tochter Hanna. Wenn sie als Personalleiterin Mitarbeiter kündigen muss, kann sie das Leid ihrer Mitarbeiter nicht ertragen und tröstet sie mit gewissen Intimitäten. Ihr Bruder Hakim kommt damit gar nicht zurecht: Halal ist sein Motto. Klar, dass das zu Konflikten führt. Als er jedoch wegen einer Nierenerkrankung dringend eine Organspende benötigt und Hanna sich als kompatible Spenderin herausstellt, nimmt die „urkomische“ Geschichte ihren Lauf.

Kennt ihr diese Situationen? Man wünschte sich, sie gingen so schnell wie möglich vorüber. Diese Werke, Aufsätze und Arbeiten, die man niemanden so recht zeigen möchte, da sie etwas in sich tragen, was nicht zum Selbstbild zu passen scheint. Eines weiß man ganz genau: Das fühlt sich falsch an. Das bin ich nicht. So möchte ich mich nicht zeigen. Genauso fühlen sich wohl die Beteiligten von „Mademoiselle Hanna und die Kunst Nein zu sagen“. Sogar ich fühlte mich so, als ich den Film sah, obwohl ich bloß ein Zuschauer gewesen bin.

Bei Mademoiselle Hanna werden gesellschaftskritische Ideen grob vorgetragen. Ich selbst kann nicht klar herausstellen, welche Aussagen getroffen werden sollten. Eins ist jedoch klar: Kasmi will mehr bieten, als bloße Unterhaltung. Leider deutet sie mit ihren Zeigefinger sehr ungenau in eine grobe Richtung: Satire muss jedoch präzise sein.

Es geht um Fragen der Freiheit und Selbstbestimmung. (Hanna.) Es geht um Tradition und Religion. (Hakim.) Das war es dann auch schon. Fundiertes Verständnis einer Thematik wird in der Einfachheit und Klarheit der Erzählung deutlich: Bei einer entsprechend tiefgründigen Auseinandersetzung werden Aussagen präzise getroffen – Argumente werden geordnet; komplizierte Strukturen werden für die Zielgruppe aufbereitet. Bei Mademoiselle Hanna geschieht das nicht einmal ansatzweise. Wegen der fehlenden Richtung wirken die Argumente absurd. Die Zeichnung der Charaktere grenzt zuweilen an rücksichtslose Beleidigungen. Was bleibt ist die Präsentation eines abstrusen Menschenbildes, das einer kritischen Diskussion der wichtigen Thematiken nicht gerecht werden kann. Es bleibt das peinliche Gefühl der Leere. Was Satire sein soll, wirkt wie aus einer anderen Welt. Und diese Welt hat rein gar nichts mit der unseren zutun. Das ist nicht nur kontraproduktiv, sondern verwerflich.

Der Titel ist ein Appell an alle Beteiligten: Das nächste Mal bitte ein Nein. Als Schauspieler werdet ihr das doch nicht euren Familien und Freunden präsentieren wollen. Diese obszöne Nacktheit, diese peinlichen Dialoge. Jemand muss das doch gesehen oder gelesen haben – ihr hättet euch trauen müssen. Schließlich geht es um die Kunst Nein zu sagen.

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Bild: Szenenbild aus „Mademoiselle Hanna und die Kunst Nein zu sagen“(2015), © x-verleih

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