Little Miss Sunshine

Die Gleichung von Glück und Erfolg.

Und wieder stellt sich die Frage: Was macht uns glücklich? „Little Miss Sunshine“ von Jonathan Dayton und Valerie Faris stellt zur Beantwortung dieser Frage eine eindeutige These auf, welche sich in den Handlungssträngen sämtlicher Figuren überzeugend widerspiegelt. Die Gleichung von Glück und Erfolg geht nicht auf.

Grandpa? I don’t want to be a loser. // You’re not a loser, how did you get the idea that you are a loser? // Because daddy hates losers.

Jeder von uns hat Wünsche oder Träume, die als wesentliche Handlungsmotivationen unsere langfristigen Entwicklungen prägen. Wir wären glücklich, würden wir jene Ziele erreichen, so die allgemeine Annahme; doch was ist, wenn wir an der Zielerreichung gehindert werden? Wenn die angestrebte Perfektion nicht in unserer Natur liegt? „Little Miss Sunshine“ nimmt dazu eindeutig Stellung und kritisiert das Erfolgsstreben unserer Gesellschaft und brilliert durch eine Präsentation der Menschlichkeit, welche das entsprechende verurteilte Gedankengut zum Höhepunkt der Gefühle am Ende der Geschichte ins Lächerliche drängt.

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„Little Miss Sunshine“ bedient sich dabei sicherlich nicht einer profunden Charaktertiefe und feiner Differenzierungen und stellt hingegen eindeutige Dipole auf. Daher lässt sich der Film nicht als tiefgründige Analyse der These betrachten und wird den intellektuellen Anforderungen einer tatsächlich fundierten Aussagekraft nicht gerecht. Nichtsdestotrotz wird eine Atmosphäre konsequent aufgebaut, welche starke Gefühle in uns weckt. „Little Miss Sunshine“ greift einen Teil unserer Identität, welcher sich tief im Kern unseres Herzen befindet. Nicht nur den Figuren wird aufgrund ihrer Niederlagen eine Last genommen, sondern auch den Zuschauern. Und gerade darin liegt die Tiefe des Filmes begründet – er berührt uns.

Somit trägt „Little Miss Sunshine“ die Essenz des Feel Good Movies und ist meiner Ansicht nach einer der Besten des Genres. Das hervorragende Drehbuch von Michael Arndt setzt meisterlich emotionale Höhepunkte, welche auf raffinierte Weise einerseits die Niederlagen der Figuren reflektieren und gleichzeitig ein Gefühl der Hoffnung vermitteln. Dabei befindet er sich der Charakterzeichnung bedingt auf dem schmalen Grad zum Melodramatischen, doch er meistert den Balanceakt, sodass kein einziger Moment befremdlich oder unpassend wirkt. Zur Wirkung des Filmes trägt die einprägsame Filmmusik von Mychael Danna und DeVotchKa wesentlich bei. Mit Hilfe der Musik wird im Laufe der ersten Minuten des Filmes eine einzigartige Stimmung etabliert, welche während der gesamten Spielzeit auf den Punkt gehalten wird.

Die Schauspieler liefern eine überzeugende Leistung. Ihre starken Darstellungen verstärken die Hauptelemente der Charakterzeichnung und tragen dazu bei, dass ihre Figuren etwas besonderes sind. Hervorzuheben sind dabei insbesondere folgende Figuren: Olive Hoover, gespielt von Abigail Breslin, ein kleines Mädchen mit auffälliger Brille, welche den Schönheitswettbewerb „Little Miss Sunshine“ gewinnen möchte; ihr Gesicht während Anfangsszene wird für Ewigkeiten in meinem Gedächtnis eingebrannt sein. Frank Ginsburg, gespielt von Steve Carell, welcher als angeblich lediglich zweitbester Kenner des Autoren „Marcel Proust“ in suizidale Depressionen getrieben wird und Dwayne , Olives Bruder, welcher Kampfjetpilot werden möchte und deshalb ein Schweigegelübde abgelegt hat.

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Durch das Zusammenspiel aller Elemente wurde ein rundum stimmiges Werk erschaffen, welches den Geist der Zeit trifft. Nichtsdestotrotz handelt es sich um eine einseitige Behandlung der Thematik, was sich insbesondere in der Darstellung des Schönheitswettbewerbes am Ende des Filmes widerspiegelt. Doch auch in der Charakterzeichnung, die zwar insgesamt sehr gelungen ist, fehlen jene feinen Facetten, die für eine aussagekräftige Kritik von Nöten wären. Den Ansprüchen des Filmes reichen sie jedoch völlig. Die vorgetragene Kritik gegen die nach Perfektionismus und Erfolg strebende Gesellschaft wirkt infolgedessen plump, aber wegen der emotionalen Tiefe ist sie in vielen Aspekten dennoch überzeugend, berechtigt und mitreißend.

In Anbetracht der wesentlichen Gestaltung des Filmes ist dies nur ein kleiner Rückschlag. Gerade diese Szenen zum Schönheitswettbewerb vermitteln darüberhinausgehend eine innere Ästhetik, welche alle Handlungsstränge der Familie zusammenführt und den Zuschauer mit einem wunderschönen Gefühl das Kino verlassen lässt. Es handelt sich um das Gefühl, etwas wunderbares erlebt zu haben. Uns wurde etwas wahrlich Schönes vor unseren Augen geführt.

You know what? Fuck beauty contests. – Dwayne

Bild aus: „Little Miss Sunshine“, 20th Century Fox, 2006

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