Aufbruch zum Mond

Im Jahr 1969 betrat das erste Mal in der Geschichte ein Mann den Mond. Dieses Ereignis begeistert und inspiriert bis heute zahlreiche Kinder, wie auch Erwachsene. Mehr noch, es stellt ein Manifest für die Schaffenskraft und Willensstärke der Menschheit dar. Dieses weltweit wirksame Symbol auf eine rein amerikanische Errungenschaft zu reduzieren, würde dessen Bedeutung nur künstlich schmälern. Damit sollte zu der albernen Flaggen-Affäre rund um Aufbruch zum Mond alles geschrieben sein und es kann sich dem eigentlichen Inhalt zugewandt werden. Damien Chazelle setzt in seinem neuen Film den wohl bekanntesten Beteiligten der Mission Apollo 11 in Szene, Neil Armstrong.

Damien Chazelle

Mit Whiplash und LaLaLand, für das er einen Oscar in der Kategorie Bester Regie erhielt, bewies Chazelle bereits zweimal eindrucksvoll sein Können. Daher scheint es fast ein Sakrileg zu sein, ihn bloß als aufstrebenden Jungregisseur zu bezeichnen. Den meisten Filmschaffenden ist in der Vita nicht ein einziges Werk vergönnt, das an die Qualität der genannten heranreicht. Beiden Filmen war gemein, dass Musik ein zentrales Handlungsinstrument darstellte. Für Chazelle, der selbst einmal eine Karriere als Jazz-Schlagzeuger anstrebte, eine naheliegende Materie. Mit Aufbruch zum Mond wagt er sich nun in ein Genre vor, dass auf den ersten Blick eine große Herausforderung für den Oscarpreisträger darstellen sollte. Doch wer Whiplash gesehen hat, weiß, Damien Chazelle ist ein Meister im inszenieren von Actionszenen. Waren es in dem Drama um einen aufstrebenden Jungmusiker noch Schlagzeugeinlagen, die er wie Actionszenen inszenierte, finden sich in Aufbruch zum Mond konventionellere. Der Start einer Rakete, der Flug eines Space Shuttles, Explosionen. In vielen dieser Momente ist man mittendrin. Was meistens nur als Werbephrase gebraucht wird, ist hier im wörtlichen Sinne zu verstehen. In der ersten Szene des Films wird der Zuschauer Teil eines Wiedereintritts in die Erdatmosphäre. Die Kamera und Mikrofone befinden sich mit dem Astronauten im Cockpit. Das Bild wackelt, man hört die Raumfähre ächzen. Der Kinosaal bebt. Obwohl ähnliche Stilmittel in den meisten Filmen, besonders des Actiongenres, nicht funktionieren, schafft Chazelle es, sie für sein Werk zu nutzen. Das hängt auch damit zusammen, dass sie sich stimmig in die gesante Herangehensweise an die erzählte Geschichte einfügen.

Neil

Es wäre naheliegend gewesen, die Geschichte von der Mondlandung als bedeutungsschwangere, glamouröse Heldengeschichte zu erzählen. Doch darauf verzichtet der Film. Statt zu idealisieren erinnert uns Aufbruch zum Mond regelmäßig mit bedrückenden Szenen daran, wie gefährlich, sogar wahnsinnig das Unterfangen der NASA war. Wie viele Menschen ihr Leben verloren. Eine Nachbarin der Armstrongs, deren Mann bei einer Kapseltestung ums Leben kommt, zerbricht an dessen Tod.
Chazelle zeigt uns dies völlig ungeschönt, durch die Augen von Armstrongs damaliger Frau, Janet Shearon. Diese, brillant gespielt von Claire Foy (The Crown), hegt Zweifel gegenüber dem Vorhaben ihres Mannes und konfrontiert diesen auch damit. Durch die Interaktion mit ihr wird der Held Neil Armstrong entzaubert, seine Fehler treten zu Tage. Doch erst so wird er menschlich. Man kann mit ihm fühlen und sich mit ihm identifizieren, nicht zuletzt auch dank Ryan Goslings (Blade Runner 2049) Darstellung desselben. Dadurch, dass Neil Armstrong begreifbar und echt wird, wird es auch die Mondlandung selbst. Dass es Damien Chazelle gelingen würde, diese gekonnt in Szene zu setzen, war absehbar. Aber erst durch den Umgang mit der Figur des Neil Armstrongs wird sie glaubwürdig. Zwar verfällt Chazelle gegen Ende des Films kurz dem übertriebenen Pathos, doch selbst das schafft es nur bedingt, die Faszination des Zuschauers zu trüben. In der letzten Einstellung des Filmes unterstreicht dieser, wovon er eigentlich handelt. Anders als der deutsche Titel Aufbruch zum Mond vermuten lässt, geht es eben nicht vordergründig um die Mondlandung. Es geht um die Menschen, welche diese möglich machten. Exemplarisch um den berühmtesten von allen, wie der englische Titel bereits ankündigt: Den First Man.

 

Bild: © Universal Pictures International