The Disaster Artist
„The Disaster Artist“: Ein Film über die Entstehung des besten schlechtesten Films aller Zeiten („The Room“) und seinen verschrobenen Macher Tommy Wiseau, dessen Herkunft und Alter er genauso unter Verschluss hält wie sein schauspielerisches Talent. Was sich auf den ersten Blick nach einer Filmparodie a la „Disaster Movie“ anhört entpuppt sich als grandiose und unterhaltsame Charakterzeichnung eines Mannes, der bedingungslos seinen Traum einer großen Hollywoodkarriere verfolgt und dafür mit unerwartetem Erfolg belohnt wird: Sein Film „The Room“ genießt auch fünfzehn Jahre nach Erscheinen Kultstatus und füllt regelmäßig Kinosäle. Regisseur James Franco hat diesem Mann mit „The Disaster Artist“ ein Denkmal errichtet und dem Hype um „The Room“ neue Kraft gegeben.
The Disaster Artist, auf dem gleichnamigen Buch von Greg Sestero beruhend, beginnt mit der ersten Begegnung eines zurückhaltenden Greg Sestero (Dave Franco) und exzentrischen Tommy Wiseau (James Franco) in einem Schauspielkurs in San Francisco. Greg bewundert Tommys furchtlosen Einsatz auf der Bühne und möchte von ihm lernen. Sie freunden sich an und ziehen gemeinsam nach Los Angeles um ihre Schauspielkarriere voranzutreiben. Relativ schnell wird jedoch klar, dass beide nicht das nötige Talent haben, weshalb sie beschließen, selbst einen Film zu produzieren. Gesagt, getan. Tommy schreibt das Drehbuch zum Beziehungsdrama „The Room“ und finanziert die Kosten von angeblich 6 Mio. Dollar aus eigener Tasche und unbekannter Quelle. Auch die Rolle des Produzenten, Regisseurs und Hauptdarstellers übernimmt er selbst. Ohne jegliche Erfahrung führt das jedoch dazu, dass die Produktion von „The Room“ im Chaos versinkt. Trotzdem schafft der Film es 2003 auf die Leinwand ausgewählter amerikanischer Kinos und wird als Komödie von den Zuschauern gefeiert. Bis heute beteuert Wiseau seine Absicht, von Anfang an eine schwarze Komödie und kein Drama inszeniert haben zu wollen: „Im glad you like my comedic movie. Exactly how I intended”.
Vordergründig beleuchtet „The Disaster Artist“ die Produktion um „The Room“, die so unterhaltsam und absurd wie das Endergebnis ist. Alles was Wiseau während der Dreharbeiten tut könnte als Negativexempel in der Filmproduktion herhalten: Um einen vermeintlich echten Hollywoodfilm zu drehen, scheute Wiseau keine Kosten. Er kaufte die Filmausrüstung, statt sich diese, wie in der Branche üblich, zu leihen. Statt günstige Außendrehorte zu verwenden setze er in den banalsten Situationen auf teure Greenscreens – sei es für eine Szene die im Hinterhof spielt oder auf einer Dachterrasse. Verbesserungsvorschläge oder Kritik an seiner Produktion und dem Drehbuch, das zusammenhangslos auftauchende und wieder verschwindende Handlungsstränge und Charaktere enthält, werden von Tommy nicht geduldet. Im Zweifel feuert er einfach Teile seines Teams. Auch seine Schauspielfähigkeiten erweisen sich als zweifelhaft und unverbesserlich. Er braucht beinahe 50 Anläufe um eine Szene abzudrehen und reagiert in diversen Szenen auf die unpassendste Art und Weise: Die Misshandlungsgeschichte einer Frau wird z.B. mit einem gekünstelten Lachen erwidert. Auf einen Streit mit seiner Verlobten reagiert er mit dem völlig überzogenen, theatralischen „You are tearing me apart, Lisa!“, einer der bekanntesten Szenen aus „The Room“. Nicht nur Fans des Films kommen voll auf ihre Kosten. Auch Zuschauer, die den Film nicht kennen werden bestens unterhalten und vermutlich genauso überrascht sein, wie einst die Filmcrew, dass „The Room“ am Ende des Filmes tatsächlich seine Premiere feiert.
James Franco lässt es sich nicht nehmen, alle kultigen Szenen aus dem Original auch in „The Disaster Artist“ nachzustellen. Sowohl “I did not hit her. It’s not true. Its bullshit. I did not hit her. I did noooot. Oh hi Mark!“ als auch “I definitely have breast cancer” dürfte Fans von “The Room” erfreuen. Besonders beachtenswert ist die absolute Liebe zum Detail in nachgestellten Szenen die sich in jeder kleinsten Gestik, Mimik und Sprechpause zeigt und in einer mehrminütigen Montage der bekanntesten Szenen aus dem Original und „The Disaster Artist“ seinen Höhepunkt findet. Auch James Francos Darstellung von Tommy Wiseau ist brilliant. Sowohl äußerlich gleichen sich die beiden – pechschwarzes Haar, geschmacklose Outfits, unverkennbarer, osteuropäisch anmutender Akzent (der laut Wiseau aus New Orleans stammt) – als auch durch die überhebliche bis komische Selbstsicherheit und überzogene Schauspielerei. Man nimmt ihm die Rolle den ganzen Film über voll und ganz ab. Franco nahm seine Rolle so ernst, dass er diese auch nach seinen Szenen nicht ablegte, sondern als Tommy Wiseau Regie führte. Lediglich ein weiterer Beweis für seine Detailtreue. Denn wie der von ihm gespielte Charakter übernahm auch Franco Regie, Produktion und die Rolle des Hauptdarstellers. Diese Kombination verhilft auch diesem Film zum Erfolg.
Dieser Film ist jedoch mehr als eine reine Hommage an „The Room“. Seine eigentliche Leistung besteht darin, neben all der Absurdität um „The Room“, ein tieferes Verständnis für Tommy Wiseau zu schaffen. Anders als „The Room“, dessen Beliebtheit weitgehend auf der Komik und Exzentrik seines Machers fußt, war es Franco ernst, keine Parodie von ihm zu produzieren, sondern seine Menschlichkeit und Motivation in den Vordergrund zu rücken. Sie zeigt sich besonders in der tiefen Freundschaft zu Greg Sestero. Der Zuschauer sieht Tommy aus Gregs Augen: Als jemand, der selbstbewusst zu sich steht und keine Angst vor der Meinung anderer hat. Als jemand, der sich ohne langes Nachdenken Gelegenheiten schafft um seine Ziele zu erreichen. Als jemand, der Freunden gegenüber bedingungslos loyal ist, auch wenn dies manchmal fehlgeleitet wirkt. So hebt „The Disaster Artist“ ihn von der Witzfigur die er für viele dank The Room ist zu einem missverstandenen Visionär mit unbändigem Willen und lacht ihn keineswegs aus obwohl die Handlung genug Gelegenheit dazu geboten hätte. Er applaudiert ihm vielmehr und zeigt Wiseau als jemanden, der sich traut, wo viele bereits aufgegeben hätten: „I don’t worry, I just do it.“. Damit wird Tommy letzten Endes zum unerwarteten Helden seiner Geschichte, dem „true american hero“ wie er es sich einst für seine Hauptfigur in The Room gewünscht hat. Es hat nur 15 Jahre gedauert.
Bild: Pressematerial © Warner Bros. Entertainment