Deadpool 2

I’m all out of love – Der erste Deadpool

Als Deadpool Anfang 2016 in die Kinos kam, hatte wohl keiner damit gerechnet, dass dieser Film so erfolgreich werden würde. Nicht nur, dass er der erfolgreichste X-Men Film aller Zeiten wurde, er spielte bis heute auch weltweit mehr ein, als jeder andere Film, der in den USA die Altersfreigabe „Rated R“ erhielt. Was den Film so erfrischend machte, war die Tatsache, dass es ihm gelang, beim Zuschauer den Eindruck zu erwecken, hier hätten die Filmschaffenden ohne äußere Einflüsse ihre Vision verwirklichen können. Kein offensichtlicher Versuch ein Franchise oder nur eine Fortsetzung anzulegen, kein „rette die Welt vor der Zerstörung“-Plot, keine unnötige Zensur, um eine niedrigere Altersfreigabe zu erhalten. Dies alles löste bei Publikum und Kritikern Begeisterung aus. Doch bereits bei der zweiten Sichtung stellte sich, zumindest bei mir, Ernüchterung ein. Mit Abstand betrachtet handelte es sich um eine Superhelden-Origin-Story, die mit solider, unzensierter Action und einigen guten Gags aufwarten konnte. Letztere entpuppten sich jedoch als erstaunlich substanzlos. Statt aus anderen Superheldenfilmen bekannte Klischees für clevere Witze oder Unerwartetes zu nutzen, benannte der Film sie lediglich und bediente sich gleichzeitig selbst dieser ohne sie zu reflektieren. Dass Deadpool durchaus seine Momente hat, ist dabei natürlich nicht zu leugnen. Der wunderbar aufbereitete „Spoiler“ für 127 Hours bringt mich bis heute jedes Mal zum Grinsen.

I’m so lost without you – Die Landschaft der Superheldenfilme

Trotz des faden Nachgeschmacks stellte sich bald die Sehnsucht nach einem weiteren Teil ein.  Vielleicht war die Kritik ja gehört worden, vielleicht würde der zweite Teil der Geniestreich sein, den man sich vom ersten erhofft hatte und einige sogar in diesem zu sehen meinten. Hoffnung stellte sich ein. Darauf, dass der zweite Teil die festgefahrenen Strukturen fast aller Superheldenfilme sprengen würde. Nicht nur im übertragenen, auch im wörtlichen Sinne, schließlich handelte es sich um Deadpool. Die Marke Deadpool, das Versprechen, welches der erste Teil nicht eingehalten hatte, wurde wieder zum Hoffnungsträger. Aus gutem Grund.

Warner Bros. scheiterte, zumindest qualitativ, grandios damit, eine eigene Filmreihe rund um das DC-Universum aufzubauen. Mal um Mal machten die Filmemacher die gleichen Fehler. Selbst der von vielen überschätzte Wonder Woman (2017) ließ sich dazu herab, im dritten Akt alles bisher Etablierte über Bord zu werfen und zeigte dem Zuschauer ein CGI-Gewitter in welchem sich zwei scheinbar unbezwingbare Gegenspieler gegenseitig in Häuserfronten warfen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass die Häuser in Wonder Woman etwas kleiner waren, als noch in Batman v Superman (2016) oder Man of Steel (2013). Wahrscheinlich präsentierten die Verantwortlichen hier das, was sie unter einem Kammerspiel verstanden.

Gleichzeitig führten die Marvel Studios unter Disney ihren finanziellen Erfolgskurs fort. Ähnlich wie die DC-Filme präsentierten sie stets Ähnliches, doch Zuschauer und Kritiker waren hier gnädiger. Ähnlich wie Fast Food waren sie schnell verzehrt und schmeckten einigermaßen. Im Gegensatz zu Burgern und Fritten waren sie jedoch genauso schnell auch wieder verdaut und vergessen. Zwar gab es hier ein paar erfreuliche Überraschungen, etwa Thor: Tag der Entscheidung (2017), doch diese blieben die Ausnahme.
Den vorläufigen Höhepunkt fand die Filmreihe vor kurzem in Avengers: Infinity War (2018). Die Actionszenen größtenteils maximal beliebig, die maximale Dosis an Altbekanntem, die maximale Konsequenzlosigkeit. Hinzu kommt, dass der Film eigentlich nichts  anderes ist, als der erste Akt eines Zweiteilers, der in keinem Falle für sich alleine stehen kann. Dies wurde im Vorhinein natürlich stets verneint, das Bekanntwerden könnte ja schädlich für das Einspielergebnis sein.

Auch 20th Century Fox, das Studio, welches die Filmrechte an den X-Men und Deadpool hält, produzierte fleißig Superheldenfilme. Über X-Men: Apocalypse (2016), der an Beliebigkeit kaum zu übertreffen ist, soll hier kein Wort verloren werden, doch Hugh Jackmans letzter Auftritt als Wolverine in Logan (2017) gehörte neben Doctor Strange (2016) und dem bereits erwähnten Thor: Tag der Entscheidung zu den drei Superheldenfilmen, die es seit Deadpool geschafft haben mehr als ein Schulterzucken bei mir hervorzurufen.

I know you were right believing for so long – Die Hoffnung auf Andersartigkeit

Diese drei Filme schafften es, sich nicht sklavisch an die vorgegebenen Formeln und Strukturen des Genres zu halten oder boten, im Fall von Doctor Strange, dem Zuschauer zumindest ästhetisch etwas Neues, bisher Ungesehenes. Deadpool hat das Potential eben genau das zu bieten. Etwas Anderes, etwas Besonderes zu sein. Die Macher hinter den Filmen sind sich dessen bewusst, ihr jahrelanger Versuch, das Studio dazu zu bewegen, Deadpool zu produzieren belegt das. Ihre Unnachgiebigkeit ermöglichte den ersten Film und ihr Erfolg gab ihnen recht. Auch aus Interviews wurde deutlich, dass sie verstanden, wieso Deadpool funktionierte. Er wurde als etwas Anderes gesehen. Er stach, zumindest vermeintlich, aus der Masse immer gleicher Superheldenfilme heraus.

Dies weckte die Hoffnung in mir der zweite Teil würde endlich das sein, wofür viele den ersten loben. Eine andersartiger Film, der das Genre dekonstruiert und Neues wagt.

I’m all out of love, what am I without you – Die Stärken und Schwächen des Deadpool 1×2

Doch statt die Filmreihe weiterzuentwickeln, wirkt Deadpool 2 eher wie eine wuchtigere Version des ersten Teils. Noch mehr Beleidigungen, noch mehr Referenzen und Camoes. Noch mehr Selbstironie, noch mehr allseits bekannte Popsongs. Das alles funktioniert ähnlich gut wie im ersten Teil. Gleichzeitig fehlt jedoch der Effekt der Neuartigkeit vieler Elemente, wodurch sich teilweise das bereits angedeutete Gefühl einstellt, dass einem heute im Kino regelmäßig begegnet: Hat man hat das nicht alles schon gesehen?

Teilweise kompensiert der Film dies durch Cameoauftritte, welche der Erfolg des ersten Teils möglich machte. Diese werden hier wunderbar humoristisch aufbereitet. Auch einige länger erzählte Witze, die einen angenehmen Kontrast zum Kugelfeuer an kleinen Gags bilden, welche schon den Vorgänger auszeichneten, sorgen für Abwechslung.

Um seine Stärken besonders gut ausspielen zu können, verzichtet Deadpool 2 konsequenterweise darauf, einen Plot mit wirklichem roten Faden zu erzählen. Diejenigen, welche die emotionale Erdung des ersten Teils wertschätzten, werden hier enttäuscht.

So bietet Deadpool 2 kurzweilige Unterhaltung und kreiert Szenen, die durchaus das Potential zum Kult haben. Mangels innovativer Einfälle macht sich dennoch Enttäuschung breit. Der allseits bekannte Vorwurf an viele Superheldenfilme erfasst auch Deadpool 2.

I can’t be too late to say that I was so wrong – Die Hoffnung stirbt zuletzt

Doch bei all der Kritik darf nicht vergessen werden: Deadpool nicht als mutige Filmreihe zu bezeichnen, wäre falsch.

Deadpool ist aktuell die einzige Filmreihe unter den Blockbustern bei der man in beiden Teilen in keiner Weise den Eindruck hat, ein auf finanziellen Gewinn optimiertes Produkt zu sehen, so absurd dies angesichts des brillianten Marketings für den Film scheinen mag. Nicht nur, dass der erste Deadpool seine potentielle Zuschauerschaft durch die Altersfreigabe verkleinerte, beide Filme der Reihe verzichteten darauf, den Film für einen Release in China zurechtzuschneiden. Trotzdem China den momentan umworbendsten und bald größten Markt der Filmbranche darstellt, eliminiert der zweite Film seine Chancen, dort möglicherweise in zensierter Form zu erscheinen durch die offen lesbische Beziehung zweier Charaktere völlig. Wo der Beibehalt des R-Ratings noch als rein kommerzielle Entscheidung gelten kann, gehört dieses doch zum Kern der Marke, hätte diese Beziehung problemlos umgeschrieben werden können. Es wäre naiv zu glauben, die Abwesenheit gleichgeschlechtlicher Beziehungen in anderen Blockbustern sei purer Zufall.

Es mag banal erscheinen, aber es sind Entscheidungen wie diese, die den Film, neben den oben aufgeführten Stärken, erneut als frischen Wind in der Blockbusterlandschaft erscheinen lassen. Vermutlich wird er sich auch dieses Mal mit der Zeit als laues Lüftchen erweisen, denn auch Deadpool 2 ist nicht der erhoffte Befreiungsschlag. Vielleicht sind die Erwartungen aber auch zu groß. Er durchbricht nicht die Fesseln des Genres, aber er fügt ihnen Risse zu, er lässt einen Luft schnappen.

Sofern es einen dritten Teil gibt, wird sich wieder die Hoffnung einstellen, dass einen diesmal auch filmisch Mutiges und Innovatives erwartet. Schon jetzt wird sie geschürt:

„If you’re going to do another Deadpool solo film, you’ve got to really, like, get that budget down to nothing and just swing for the fences, and break all kinds of weird barriers, and do stuff that no one else can do.

Why do they all have to be big comic book movies? It could be anything.

-Ryan Reynolds

 

 

 

Beitragsbild: © 2018 Twentieth Century Fox

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