Meine Brüder und Schwestern im Norden

Ab dem 14.07.2016 im Kino

Nordkorea. Ein Land der Mythen und Legenden. Am ehesten bringt man es mit wirren, untersetzten Führern in Verbindung, deren Namen alle nahezu identisch sind (Kim Il-sung, Kim Jong-il, Kim Jong-un) und die einen beträchtlichen Anteil des Staatsaushalts in das Militär investieren, wobei die meisten Versuche, Macht zu demonstrieren, kläglich scheitern.

Sung-Hyung Cho, selbst gebürtige Südkoreanerin, versucht sich in ihrer Dokumentation Meine Brüder und Schwestern im Norden mit den in Nordkorea lebenden Menschen auseinander zu setzen. Sie will herausfinden, wie Nordkoreaner ‚ticken‘. Hierzu reiste sie in dem Land umher, um sich mit ihnen zu treffen und zu unterhalten.

Ein Großteil des Films spielt in Pjöngjang. Cho besucht dort eine Fußballschule, einen Wasservergnügungspark, eine Familie, sowie einen Künstler. Die Regisseurin scheitert jedoch daran, ihr Ziel zu erreichen und ein differenzierteres Bild von Nordkorea zu zeichnen, als der durchschnittliche Bewohner der westlichen Welt es hat. Ebenso versagt sie dabei, deutlich zu machen, dass, wie sie selber im Interview sagt, nicht alle Nordkoreaner Marionetten seien.

Sie lässt sich einlullen von den zugegebenermaßen schönen Bildern der Hauptstadt. Dem Zuschauer werden in ihrer Dokumentation euphorische Kinder in Schulklassen, Kindergärten und auf dem Fußballplatz gezeigt, wirklich kritisch hinterfragt wird nichts. In ihren Gesprächen mit den Bewohnern wird immer wieder deutlich, dass diese anscheinend ihr ganzes Leben ihren Führern widmen. Ihr höchstes Ziel scheint zu sein, diesen gerecht zu werden. Sung-Hyung Cho mag die Bürger Nordkoreaners nach ihrem Besuch nicht mehr als Marionetten des Führers wahrnehmen. Mir allerdings fällt es nach ihrer Dokumentation schwer, dies nicht zu tun.

Es ist wichtig, sich bei einer Betrachtung Nordkoreas dem gesamten Konstrukt anzunehmen und sich nicht auf einzelne Aspekte, die zu der persönlichen, vorgeformten Meinung passen, zu beschränken. Leider aber verlegt Chp nur den Fokus, statt einen Schritt zurückzutreten und das gesamte Bild zu betrachten. Ihr Film gleicht so mehr einem Propagandafilm Nordkoreas, als einer Dokumentation. Die schönen Seiten Nordkoreas dürfen nicht alleine im Raum stehen. Sie müssen im direkten Zusammenhang mit den Arbeitslagern, den Menschenversuchen, der Einschränkung von Meinungs- und Informationsfreiheit, als auch der Diskriminierung gewisser, vom Staat eingeteilter Klassen, gedacht werden. In Meine Brüder und Schwestern im Norden hingegen wird dem Zuschauer ein schönes Land mit ausgeprägter Führerkult präsentiert. Man bekommt den Eindruck, dass diesen Bildern eine ähnlich gefährliche Mentalität zu Grunde liegt, wie der viel gehörten Phrase:

„Unter Hitler war auch nicht alles schlecht.“

 

Jedem, den ein Einblick in das Land Nordkorea interessiert, sei die VICE-Reportage „VICE Guide to North Korea“ empfohlen.

 

Beitragsbild: Pressematerial zu „Meine Brüder und Schwestern im Norden“ © Kundschafter Filmproduktion GmbH, 2016

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