Die TIFF Experience: Die Rushline-Party

Die Rush Line Experience:

Nun – es gab einige Situationen, in welchen ich einen Film sehen wollte, jedoch kein Ticket über meine Kontingente ergattern konnte. Für diesen Ausnahmefall gab es eine ganz besondere Erfahrung: Die Rush Line. Junge Menschen können sich für 30CAD$ ein Rush Line Abo holen – dies ermöglicht ihnen theoretisch Zugang zu allen Filmen des TIFFs. Dafür mussten sie sich lediglich in die sogenannte Rush Line stellen – eine Warteschlange an der Resttickets vergeben werden. Tickets, wenn es freie Sitze im Kino gab, obwohl das Kino ausverkauft ist. Etwa, weil VIP Plätze nicht genutzt wurden oder Personen ihre Tickets nicht genutzt haben. Für beliebte Filme bedeutete dies: 1.5 Stunden vorher anstehen. Und für die Filmfans bedeutete dies: Menschen kennenlernen, Filmgespräche führen, Letterboxd und Instagram austauschen!

Ich selbst war für Filme in der Rush Line. Dies musste ich für den Film Broker von Hirokazu Kore-eda. In diesem Fall hatte eine liebe Freundin Selina sich 1.5 Stunden vor dem Film in die Rush Line gestellt und war in Position 8. Ich kam erst später dazu. Das bedeutete keineswegs, dass wir sicher in den Film kamen! Abends wurde es kalt in Toronto. Und ich ließ eine Freundin so lange in der Kälte stehen – nun, ich hatte durchaus ein schlechtes Gewissen. Meine Wenigkeit war davor in einer Gala Vorstellung von The Prisoner’s Daughter und konnte gemütlich dazu und stand einige Zeit mit in der Schlange.

Dies war ein Vorzeigeabend für die Rush Line Experience: Wir kamen mit dem chinesisch-kanadischen Regisseur Yung Chang ins Gespräch, der hinter uns stand. Selina hatte sich bereits einige Zeit mit ihm unterhalten. Wir kamen in einen regen Austausch, haben über persönliche Themen gesprochen und natürlich über Film: Was sind deine Lieblings Kore-edas? Der Regisseur selbst hatte sich unter Wert verkauft – für mich war dies in dem Moment nicht ersichtlich. Interessant wurde es, als er anfing, von Filmpartys zu erzählen. An einer hätte Hirokazu Kore-eda teilgenommen und Gäste auf der Party hätten angefangen, im Fanwahnsinn zu kreischen und hätten Tränen in den Augen gehabt – und mit Glück wäre er heute ebenfalls auf einer Party die er besuchte! Ich war fasziniert von dieser Anekdote und konnte es kaum glauben, dass sich solche Momente in der Filmbranche abspielen. Die Leidenschaft für Filme war in der Rush Line spürbar – nicht nur bei uns, sondern auch bei den anderen Fans, die neben uns standen und darauf warteten, vielleicht einen Platz im Kino ergattern zu können.

In der Rush Line habe ich viele interessante Menschen kennengelernt, die genauso filmverrückt waren wie ich. Wir haben uns über unsere Lieblingsfilme unterhalten und haben über den Wert der Filme debattiert. Es war eine tolle Möglichkeit, die Liebe zum Film mit anderen zu teilen und neue Freundschaften zu schließen. Trotz der Kälte und der langen Wartezeit hat es sich auf jeden Fall gelohnt, in der Rush Line zu stehen und ich würde es jederzeit wieder tun.

Filmfest Party:

Wer bereits Filmfeste besucht hat, weiß, dass ein wesentlicher Bestandteil das Socializing ist – und dazu gehören natürlich auch Partys. Leider war das TIFF jedoch fast ausschließlich von einladungsgebundenen Filmempfängen geprägt, was bedeutet, dass man nur dann teilnehmen konnte, wenn man wichtig genug war. Für das öffentliche Publikum gab es kein entsprechendes Rahmenprogramm.

Ich stand weiterhin in der Rush Line und unterhielt mich mit dem chinesisch-kanadischen Regisseur Yung Chang, der Interesse an meiner Arbeit als Neurowissenschaftler im Schmerzbereich hatte. Meine Freundin Selina, die Psychologin ist, war ebenfalls eine interessante Gesprächspartnerin für ihn. Yung Chang war zu den Korean Film Nights eingeladen, einer koreanischen Film Party, die im Zusammenhang mit Hirokazu Kore-Eda’s neuestem Werk Broker stattfand, das sein erstes Werk mit südkoreanischem Cast war. Und dank Yung Chang’s Einladung durften auch wir an dieser Party teilnehmen!

Yung Chang hatte ein ziemlich beeindruckendes Netzwerk – er ist seit 2013 Mitglied der Academy und bekannt für Dokumentarfilme wie Up The Yangtze (2007), China Heavyweight (2012) oder The Fruit Hunters (2013). Bei dem Einlass stellte er mich als deutsch-kasachischen Filmkritiker und Wissenschaftler vor und nahm mich als Gast mit hinein. Es war eine surreale Erfahrung: Zwischen den Gästen befanden sich bekannte Schauspieler wie Lee Jung-jae, bekannt aus der Kultserie Squid Games, und Jung Woo-sung, der in dem aktuellen Film The Hunt (2022) zu sehen ist. Cast und Crews der koreanischen Filme des Filmfests waren anwesend, sowie einige weitere eingeladene Gäste. Hier passierte die Magie.

Als ich mit Kollegen der Presse sprach, erfuhr ich von weiteren Filmfest-Partys, wie dem Empfang nach Glass Onion: A Knives Out Mystery (2022) mit Daniel Craig oder dem Amazon Empfang (zu den Amazon Studios Produktionen gehört z.B. My Policeman mit Harry Styles). Auch gab es einen Empfang rund um eine Vorführung von Nope (2022) von Jordan Peele. Ich frage mich, ob KinoKulturHamburg irgendwann auch eingeladen wird. 😉