American Psycho
Der Killer unserer Kultur?
Voller Absurditäten, die gar nicht so absurd sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen: „American Psycho“ entpuppt sich als ein umstrittenes Werk. Während Kontroversen für etwas Besonderes und somit Wertvolles sprechen, sind die insgesamt gemischten Rezensionen bei der Veröffentlichung des Werkes auf zwei Faktoren zu attribuieren, die im Wesentlichen die Wirkung des Filmes bestimmen und gleichzeitig nur bedingt mit dem künstlerischen Wert zusammenhängen. Dazu später. Nichtsdestotrotz scheint dieser Film eine Entwicklung durchgemacht zu haben, die für einen modernen Klassiker der Filmgeschichte sprechen könnten. „American Psycho“ ist unter Filmliebhabern allgemein bekannt. Dazu tragen einprägsame, einzigartige Momente und Bilder bei, die erstklassig komponiert sind und damit eine gewisse Präsenz in der Filmkultur erreicht haben.
Diese speziellen Momente des Filmes besitzen einen besonderen Stil – sie sind kalt, distanziert, berechnend, cool und der einzige, kleine Weg, der sich während des Filmes zur wahren Persönlichkeit unserer Hauptfigur ebnet. Es sind die wenigen Momente, bei welchen sie aus sich selbst ausbricht, um ihre angestauten, verdrängten Wünsche zur Verwirklichung zu bringen; natürlich entstellt, etwa wie in Träumen. Würde eine tiefgründige Auseinandersetzung mit Wünschen, Träumen und Trieben das Schlimmste verhindern? Die Präsentation der Figur spricht dafür. Sie ist sich dieser Punkte offensichtlich nicht im Klaren. Warum sollte sie sonst an der fehlerhaften Gleichung von Glück und Erfolg festhalten?
Bei der Hauptfigur handelt es sich um den von Christian Bale hervorragend gespielten Investmentbanker und Serienkiller Patrick Bateman, der öffentlich seine volle Aufmerksamkeit der elitären Welt eines konsum- und unternehmensorientierten Lebensstils widmet. Was der heutigen Generation Google Inc. entspricht, findet sich bereits seit Längerem im Begriff des geliebten Corporate America. Das äußert sich in der exzessiven Körperpflege unseres heimlichen Serienkillers und Helden, einer Fixierung auf Erfolg und Ansehen und einer mangelnder Weitsicht: Sein beschränktes Weltbild spiegelt sich nicht nur in gelebten Idealen wider, so etwa sein Umgang mit Obdachlosen, sondern findet vielmehr eine entsprechende Umsetzung in der künstlerischen Gestaltung. Der Zuschauer sieht die Welt durch Patrick Batemans Augen. Er meint, er wäre ein Spieler, der die Welt unter Kontrolle hätte. Doch diese Annahme beinhaltet ein bestimmtes Verständnis von der Welt; und zwar, dass sie berechenbar wäre, was zum Ende der Geschichte gnadenlos aufgebrochen wird und darüberhinausgehend das grundlegende Plädoyer gegen den angesprochenen Lebensstil unterstreichen soll.
Das Thema ist aktuell. In bestimmten Kreisen vielleicht zu aktuell, da selbst gelebt, und dennoch erscheint dieser Film der tiefen Struktur dieser Erscheinung nicht gerecht zu werden, welche unaufhaltsam mit der Präsenz der Global Players und damit einhergehenden Lebensführungen Einzug in unsere Welt genommen hat und das Gedankengut vieler junger Menschen mit einer überwältigenden Dominanz prägt. Die Darstellungen sind weitgehend überspitzt und greifen die Thematik lediglich oberflächlich an, obwohl sie den gesamten Reiz der Idee ausmacht. Gemeint ist eine derartige Entfremdung, die aus einem Menschen einer monströsen, zerstörerischen Erscheinung macht – das wird im Film zu rasch deutlich.
Die anfangs erwähnten zwei Faktoren zeichnen sich daher in den folgenden Punkten ab: Der erste und vermutlich entscheidende Punkt ist der Unterhaltungsfaktor des Filmes. Das ungewöhnliche Tempo und die bizarre Handlung können durchaus als interessant erlebt werden. Abhängig vom eigenen Geschmack und Humor erscheint dieser Film entweder langweilig oder spannend. Natürlich trifft das auf jeden Film zu, jedoch hängt bei diesem Film der gesamte Eindruck von diesen oberflächlichen Faktoren ab. Ähnlich wie typische Action-Blockbuster bietet der Film wenig über diese unterhaltungsabhängigen Faktoren Hinausgehendes und muss daher von der Wirkung des Visuellen, dem Witz und den faktischen Entwicklungen der Geschichte leben. Präziser: Während andere Filme Interesse wecken, indem sie die Tiefe und die feinen Facetten ihrer Aussagen schrittweise erarbeiten, um die wesentlichen Merkmale im Verlauf herauszustellen, bleibt dieser Film während der gesamten Spielzeit auf dem gleichen Level und ändert den Blickwinkel zu keinem Zeitpunkt. Patrick Batemann offenbart während der Spielzeit kaum etwas, was zur Auseinandersetzung mit der Figur beitragen könnte oder die Kritik an Corporate America facettenreicher gestalten würde. Seine Handlungen entsprechen voll den Erwartungen des Zuschauers, welcher ihn von Anfang an als weltfremden Psychopathen kennenlernt.
Der zweite Punkte, welcher bereits angeklungen ist, beinhaltet die Frage, was der Film eigentlich zu sagen hat. Kurz gesagt: Welche Bedeutung trägt der Film? Es handelt sich nicht um eine Analyse der Strukturen der entsprechenden Gesellschaftsschichten oder den Charakterzügen eines Killers, denn dafür ist die Behandlung zu oberflächlich. Es handelt sich lediglich um die Präsentation einer einfachen These, die im Verlauf des Filmes nur unwesentlich ausgearbeitet wird. Der Film repräsentiert diese These an sich. Der Film steht und fällt über den Unterhaltungsfaktor hinaus mit der Frage, ob die bloße Präsentation jener Idee als wertvoll bewertet werden sollte.
Begegnete „American Psycho“ diese beiden Probleme mit einer vielschichtigen Gestaltung, welche sich in unterschiedlichen Atmosphären und hervorgerufenen Stimmungen widerspiegelte und damit mehrere Ansatzpunkte für den Zuschauer liefern würde, hätte das Werk das Zeug zum Klassiker. Die Art und Weise der Polarisierung des Filmes basiert nicht auf Wagnisse, die einen künstlerischen Wert verleihen würden. Im Gegenteil, der Film wagt nicht genug, sodass die Rezeption des Filmes lediglich von der, zugegebenermaßen, eindrucksvoll stilisierten Präsentation abhängt. In dieser Hinsicht kann der Film einiges bieten. Jene Personen, denen dieser Stil gefällt, werden den Film lieben. Sollte der Stil jedoch nicht zusagen, wird der Film bis auf wenige Lichtblicke nicht viel bieten können.
Bild: Aus „American Psycho“, Lions Gate Entertainment Corporation, 2000