Becks Letzter Sommer
„Leicht neben der Spur, unerwartet, ohne sich auf bestimmte Genres draufzusetzen“, so der Produzent Jakob Claussen.
„Becks Letzter Sommer“ ist eine Romanverfilmung des gleichnamigen Erstlingswerks des jungen Autors Benedict Wells. In einem Interview äußert sich Regisseur Frieder Wittich zum Film wie folgt: „Es klingt vielleicht wie eine Plattitüde, aber die Grundaussage des Romans ist, dass es im Leben nie zu spät ist seine Träume zu verwirklichen, oder es zumindest zu versuchen.“ Den Roman habe ich nicht gelesen, um eine Plattitüde handelt es sich bei der Adaption des Werkes jedoch allerdings.
So die Geschichte: Der frustrierte Lehrer und ehemalige, gescheiterte Musiker Robert Beck (Christian Ulmen) lernt seinen musikalisch begabten Schüler Pauli Kantas (Nahuel Pérez Biscayart) näher kennen. Um seine eigenen Träume zu verwirklichen möchte Robert seinen Schüler groß herausbringen. Es entsteht eine Freundschaft zwischen klischeeträchtigem Kumpel-Lehrer und schüchternem Jungen, dessen Herkunft Litauen immer wieder betont wird. Hier zählen noch Werte wie finanzielle Sicherheit! Doch dann kommt der überhaupt nicht vorhersehbare, überraschende, und vollkommen kreative Konflikt: Das große Plattenlabel Universal möchte Pauli publizieren, aber ohne Beck! Achja: Nebenbei gibt es noch Verfolgungsjagden mit Waffen, Drogendeals, natürlich (modern!) einen Drogenrausch des Protagonisten, einen abgedrehten Freund mit Depressionen (vielleicht Bipolar? Man weiß es nicht.), eine Reise nach Istanbul und eine Schlägerei, bei welcher unser Robert der Retter in der Not ist. (Hier die klassische Liebesbeziehung mit klischeehaften Konflikten.) Klingt wild und durcheinander, ist es auch.
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In der Tat handelt es sich bei der anfangs zitierten Aussage des Produzenten Claussen um ein fantastisches Bestreben. Der populäre deutsche Film hat sich festgefahren und bedient sich zum Transport bestimmter, wiederkehrender Ideen immer wieder den gleichen stilistischen und künstlerischen Mitteln: Der deutsche Film, so zumindest mein Eindruck, ist ein Produkt des Handwerks, in welchem sich feste Regeln etabliert haben. In dieser kalkulierten Massenproduktion von Filmen wären unkonventionelle Kompositionen erfrischend; ein Hauch von Kreativität! Was für ein Unglück, dass „Becks Letzter Sommer“ ganz in der Tradition langweiliger Filme steht. Und es kommt noch schlimmer: Während Sensationen wie Fack Ju Göhte, wie unberechtigt ihr Erfolg auch sein möge, zumindest den Humor der Masse treffen, so bezweifle ich einen ähnliche Wirkung dieses Filmes. Und wenn keine besondere, innere Ästhetik geschaffen wird – damit meine ich ein magische Spiel der Farben, eine besondere Tönung, ein einzigartiges Tempo oder etwa eine bis dato nie gesehen Kulisse – dann liegt das ganze Gewicht auf der Charakterzeichnung und den Entwicklungen der Geschichte.
Das Zusammenspiel der Charaktere macht einen unglaublich konstruierten Eindruck. Die Charaktere an sich wirken so, als hätte man etablierte, allgemein sympathische Stereotypen abgezeichnet – und nichts weiter. Das bedeutet nicht nur, dass die Charaktere leicht zu durchschauen sind und der Zweck jener Charakterisierung von Anfang an offensichtlich ist, sondern auch, dass jegliche Subtilität fehlt. Eine Notwendigkeit, um die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu halten. Wofür beim Film bleiben, wenn sowieso alles klar ist? Daraus resultiert folgendes Problem: Der Zuschauer ist den Charakteren voraus, er weiß, wie sie sich verhalten werden. Er wird in die Lage versetzt, die Geschichte selbst weiterzudenken und sogar zu überholen! Hier fehlt die Umsetzung kreativer Ideen.
Von aufgesetzten Liebesbeziehungen, (Pauli ritzt sich den Namen des Mädchens, in das er sich verliebt hat, in den Arm – trennt sich kurz darauf von ihr), bis hin zu gescheiterten Drogendeals, Überfällen und ein sehr böses Plattenlabel namens Universal – ist alles irgendwie zu verzeihen. Doch die Höhe ist, dass Robert Beck natürlich in der Lage ist, ein überaus gut besuchtes Konzert im Handumdrehen für das Genie Pauli auf die Beine zu stellen. Wenn es so leicht wäre, Träume zu verwirklichen, würde es doch jeder tun. Wer solch ein Background hat, ja, für den ist es natürlich nie zu spät, um die eigenen Träume zu verwirklichen. Damit stellt sich der Film selbst ein Bein: Letztendlich braucht es wohl doch solcher Beziehungen und Umstände, um Träume zu verwirklichen. Was zu kurz bleibt, ist, was die Thematik ausmacht – die Suche nach dem Sinn des Lebens und damit letztendlich Aussagen über die Natur des Menschen.
Zumindest würde man sich doch erstklassige Musik wünschen – es handelt sich um Musiker, sogar um ein musiklaisches Genie. Doch steht außer Frage, ob ein Plattenlabel wie Universal die präsentierten Titel veröffentlichen würde, ganz besonders von Künstlern ohne Erfahrung. Schwächen in dieser Hinsicht sind mit der Geschichte nicht konsistent. Wie derartiges umgesetzt werden sollte zeigt der Film Whiplash, welcher in diesem Jahr in den deutschen Kinos erschien. Hier geht es ebenfalls um Träume, die jedoch, wie im wahren Leben, hart erarbeitet werden müssen – und die Musik ist passenderweise hervorragend und harmoniert glänzend mit der präsentierten Geschichte.
Ein typisch, deutscher Film. Wirklich, typisch Deutsch. Zu Deutsch, für meinen Geschmack. Und ich denke nicht, dass das Publikum diesen Film lieben wird. Für mich ist er ein beeindruckendes Beispiel dafür, was dem deutschen Film fehlt. Weg vom Konventionellen! Her mit der Kreativität!
Bild: Aus „Becks Letzer Sommer“, © Senator Film, 2015