Bohemian Rhapsody

The Show Must Go On

Schon lange verfolgt Hollywood den Plan, die Geschichte der Band Queen zu verfilmen. Ebenso lange plagen aber auch Probleme die Produktionsgeschichte des nun in die Kinos kommenden Bohemian Rhapsody. So etwa Gerüchte, lebende Bandmitglieder würden sich über die geplante Richtung des Films beschweren und mit dem Verhindern des gesamten Projektes drohen. Dies hätte dann zum Ausstieg Sacha Baron Cohen aus dem Projekt geführt. Dieser sollte ursprünglich die Rolle Freddie Mercurys übernehmen. Nach einer langen Vorproduktion begannen im Jahr 2017 dann die Dreharbeiten zu dem Film, der seit 2010 in der Planungsphase festgesteckt hatte. Rami Malek (Mr. Robot) übernahm die Hauptrolle des Freddie Mercury, Bryan Singer (Die Üblichen Verdächtigen, X-Men: Apocalypse) die Regie.

Another One Bites The Dust

Doch auch während der eigentlichen Produktion traten Probleme auf. Im Dezember 2017, nur zwei Wochen bevor die Dreharbeiten enden sollten, stoppte 20th Century Fox die Produktion und ersetzte Bryan Singer durch Dexter Fletcher (Eddie the Eagle). Trotz des Rauswurfes wird Singer jedoch aufgrund gewerkschaftlicher Begebenheiten weiterhin als einziger Regisseur gelistet. All den bekannten und unbekannten Problemen zum Trotz kommt Bohemian Rhapsody nun in die Kinos.

Sombody To Love

Jedes der Mitglieder der Band Queen erhält, teilweise im wörtlichen Sinne, seinen Moment im Rampenlicht. Versucht Bohemian Rhapsody jedoch in die Tiefe zu gehen, konzentriert er sich vorwiegend auf Freddie Mercury. Vor dem Hintergrund der enormen Strahlkraft seiner Figur, die so weit reicht, dass selbst sein posthumer Auftritt bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 2012 in London das Publikum zum Singen animierte, ist dies durchaus nachvollziehbar.  Konsequenterweise erzählt der Film die Geschichte von seinem Bandeintritt bis hin zu Queens legendärem Live-Aid Konzert im Wembley-Stadion, kurz nach seiner HIV Diagnose. Problematisch ist dabei die Besetzung Freddie Mercurys mit Rami Malek. Zwar weiß dieser die Rolle auszufüllen und schafft es stellenweise sogar den Erwartungen an die Präsenz einer Musiklegende gerecht zu werden. Zu oft jedoch geleitet er ins übertriebene Schauspiel ab. So wirkt er in einigen Momenten wie eine Parodie des Sängers. In wenigen, aber nicht minder unangenehmen Szenen erinnert Maleks Darstellung an Kultlegende Tommy Wiseau (The Room).

Doing All Right

Angesichts des schnellen Erzähltempos des Films fällt dies jedoch wenig ins Gewicht. Zwar finden sich wie bereits erwähnt, Ansätze von Versuchen, den Zuschauer emotional zu involvieren, diese fallen jedoch meist zu kurz oder kitschig aus. Wer eine Vorliebe für dramatische Begegnungen im Regen hat, wird die Inszenierung eines der Wendepunkte der Geschichte lieben. Dass Bohemian Rhapsody dennoch zu unterhalten weiss, verdankt der Film zwei Tatsachen. Zum einen einigen gelungenen humoristische Auflockerungen, deren Vehikel in den meisten Fällen Mercury ist. Maleks Darstellung mag übertrieben und in keinem Falle oscarwürdig sein, aber sie schafft es an vielen Stellen – und hier erweist sich der Vergleich mit Tommy Wiseau als äußerst passend, den Zuschauer zu fesseln und zum Schmunzeln zu bewegen. Zum anderen wird der Film durch das vor dem Totalausfall bewahrt, was er portraitiert: Queen und ihre Musik.

We Will Rock You

Die Untertitel dieses Artikels allein werden den meisten Lesern in Erinnerung rufen, für wie viele Rockhymnen und Ohrwürmer die Band verantwortlich ist. Mit über 200 Millionen verkauften Platten weltweit hat sie sich fest im kulturellen Gedächtnis verankert. So ist es nicht verwunderlich, dass ihre Lieder, welche der Film so oft wie möglich einspielt, auch im Kinosaal begeistern. Den besonderen Höhepunkt bildet hierbei die Inszenierung des Live-Aid-Konzerts. Bohemian Rhapsody schafft es, dem Zuschauer die Atmosphäre, die vor über 30 Jahren im Wembley Stadion geherrscht haben muss, spüren zu lassen. Dröhnende Lautsprecher, begeisterten Massen so weit das Auge reicht, Rami Malek liefert seine besten Momente. Beinahe ist man versucht, seiner Aufforderung zu folgen bei Radio Ga Ga mit zuklatschen. Beinahe ist man bereit, das bisher Gesehene zu verzeihen.

Fazit

Doch dazu reicht die durch das Konzert erzeugte Euphorie nicht. Im Verlaufe des Abspanns ebbt sie immer weiter ab und spätestens beim Verlassen des Kinos ist sie verschwunden. Zurück bleibt nur eine große Leere. Trotzdem man über 135 Minuten in weiten Teilen unterhalten, teilweise sogar begeistert wurde, wird einem die fehlende Substanz von Bohemian Rhapsody bewusst. Der bei Blockbustern oft angeführte Einwand, ein Film müsse nicht mehr als unterhalten, ist hier, auch abseits der übrigen Argumente, unzulässig.
Welche Berechtigung hat ein Werk, dass bereits vorhandene Kunst lediglich mit bedeutungslosen Bildern unterlegt?
Freddie Mercury, eine der interessantesten Figuren der jüngeren Musikgeschichte, wird durch den Film entkernt, seine Geschichte zur bloßen Effekthascherei degradiert. Die verständliche Sorge, angesichts seiner Produktionsgeschichte würde Bohemian Rhapsody ein handwerkliches Desaster werden, war unberechtigt. Doch die Realität ist schlimmer: Es ist ein Film ohne Seele geworden.

 

Beitragsbild: © 2017 Twentieth Century Fox