Life, Animated

Ich bin in diesen Film gegangen und hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde. Ich wusste nur, dass es um Disney gehen würde. Mich erwartete einer der besten Dokumentationen, die ich bis jetzt gesehen habe.

„The Wonderful World of Disney.“

Dass diese Aussage wahr ist, weiß nicht nur ich, sondern auch Owen Suskind, der durch die Animationsfilme von Disney wieder in das soziale Leben zurück fand. Geboren wurde er in einer behüteten Familie, mit einem älteren Bruder und zwei liebenswert dargestellten Eltern, wobei sein Vater einflussreicher Journalist und Produzent des Filmes ist.

In den ersten Jahren seines Lebens war noch alles in Ordnung: Er spielte mit seinem Vater gerne Peter Pan und Captain Hook und tollte herum, wie alle anderen Kinder. Doch als er drei Jahre alt wurde, zog er sich plötzlich aus seinem Leben zurück und verstummte. Es wurde Autismus diagnostiziert. Seine Familie versuchte alles Mögliche, um ihn wieder zum Sprechen zu bringen. Sie taten dies jedoch vergeblich. Begeisterung zeigte der Junge jedoch an Disneyfilmen.

Nach mehreren Jahren auf einem Kindergeburtstag seines Bruders, saß dieser recht traurig auf einer Bank, und Owen kam zu seinem Vater und sprach:

„He doesn’t wanna grow up, like Mogli or Peter Pan.“

Ein komplexer, inhaltvoller und intensiver Satz, welchen Owen als ersten Satz überhaupt, wieder sprach. Die Familie fasste wieder Hoffnung und Owen gelang es, über Disneyfilme einen Zugang zum sozialen Zusammenleben zu gewinnen. Er lernte, wie komplexe Verhaltensmuster funktionieren und diese bei anderen Menschen zu deuten und verstehen. Es wird die These vermittelt, dass er die überdeutlichen – gar übertriebenen – Darstellungen von Gefühlsregungen der Figuren verstehen und somit anwenden konnte.

Wir erleben die Entwicklung Owens zum erwachsenen Mann, der mit Hilfe seiner Familie lernt, fest im Leben stehen, ein strukturiertes Leben zu führen. Weiterhin ist er in therapeutischer Behandlung. Er führt sogar einen „Disney-Club“ für Patienten des ihn betreuenden ambulanten Behandlungszentrums, bei welchen sie die Filme besprechen und daraus eigene Schlüsse für ihr Leben ziehen. Disney ist und bleibt sein größtes Hobby. Nun möchte er ausziehen, um ein selbstständiges Leben zu führen.

Oscar-Gewinner Roger Ross Williams (Music by Prudence) ist es gelungen, einen einzigartigen Film zu erschaffen, welcher einen leichten und direkten emotionalen Zugang zur Figur ermöglicht. Man fiebert mit, möchte wissen, wie es denn mit diesem starken Menschen namens Owen Suskind weiter geht und es rührt einen gleichzeitig regelmäßig zu Tränen. Etwa, wenn wir erfahren, dass er sich zurückzieht um als König der Sidekicks den Nebencharakteren der Disneyfilme in seinem Malbuch einen Raum zu geben.

Owens Vater, welcher den Film mitproduziert hat, möchte mit diesem Film Aufklärung betreiben und andere Familien mit autistischen Kindern, die Möglichkeit geben, Hoffnung zu fassen und sie in ihren Stärken, sei es die Liebe zu Autos oder zu Superhelden, zu unterstützen. Die Produktion dieses Filmes ist ein großartiger Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs zum Thema Autismus.
Autismus, also die Reizüberflutung eines Gehirns und die daraus kommenden Folgen, ist nämlich eine Störung, bei welcher es immer noch viele offene Fragen gibt. Dieser Film zeichnet die intensive Auseinandersetzung mit einem hochspezialisiertem Themenbereich als ein ganz besonderes Mittel zur Bewältigung von Autismus.

Ein Hoch auf den selbsternannten „König der Sidekicks“!

Bildmaterial „Life, Animated“ (2016) © NFP/Filmwelt

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