Astrid
Kalle, Karlson, Lotta, Michel, Pippi, Ronja; die Liste könnte noch lange fortgeführt werden. Den meisten Menschen, die in ihrer Kindheit gelesen haben, ist mindestens einer dieser Namen wahrscheinlich ein Begriff. Die von Astrid Lindgren geschaffenen Figuren sind ikonisch. Selbst die Auflistung ihrer Vornamen reicht aus, um Erinnerungen an sie zu wecken. Zahlreiche Kinder erweckte Lindgren als Charaktere in ihren Romanen zum Leben, Millionen echte Kinder lasen deren Abenteuer. Alleine in Deutschland wurden ihre Bücher über 20 Millionen mal verlegt. Daher wundert es kaum, dass einige ihrer Werke bereits verfilmt wurden, etwa Pippi Langstrumpf, die sowohl als Fernsehserie, wie auch als Kinofilm begeisterte. Mit Astrid inszeniert Pernille Fischer Christensen (En Soap) nun das Leben der Autorin selbst.
Wolken über Bullerbü
Hierbei konzentriert sich Fischer Christensen auf einen der dramatischsten Lebensabschnitte Lindgrens. Die traumhaft idylische Welt der 16-jährigen Astrid, welche die ersten Minuten des Films dominiert, entpuppt sich bald als bloße Fassade. So sehr man zunächst meinen mag, man werde hier Zeuge der aus Lindgrens Büchern bekannten unschuldigen, beinahe kitschigen, dörflichen Welt, der Schein trügt.
Nachdem Astrid ein Volontariat bei der Lokalzeitung beginnt, verliebt sie sich in ihren Arbeitgeber. Trotzdem der Scheidungsprozess des mehrfachen Vaters noch nicht abgeschlossen ist, beginnen die beiden eine Affäre miteinander. Als die junge Redakteurin ihre Schwangerschaft feststellt, bricht das Idyll in sich zusammen. Angesichts der noch bestehenden Ehe des Vaters des Kindes und der Lebenssituation Astrids, ergeben sich zahlreiche Konflikte und Probleme, deren Auswirkungen immer gravierender zu werden scheinen.
Astrid Lindgren
Pernille Fischer Christensen, die zusammen mit Kim Fupz Aakeson (Perfect Sense) auch das Drehbuch schrieb, zeigt hier Aspekte aus Astrid Lindgrens Leben, die man beim bloßen Lesen ihrer Werke kaum vermuten würde. Dabei gelingt ihr es, die tragischen Umstände ihrer Adoleszenz auf das wesentliche zu konzentrieren und in Szene zu setzen. Auch, wenn die Regisseurin bei der Bearbeitung der aufgeworfenen Themen oft nur an der Oberfläche kratzt, gelingt es dem Film die Dramatik der Situation nachvollziehbar zu machen. Neben der starken schauspielerischen Leistung der Hauptdarstellerin Alba August (The Rain), hat dies noch weitere Gründe. Zum einen verzichtet der Film, im Gegensatz etwa zu Charles Dickens: Der Mann, der Weihnachten erfand, darauf, eine direkte Kausalverbindung zwischen der Biographie der Autorin und ihren Werken herzustellen. Diese, momentan sehr beliebte Herangehensweise an Biographien bekannter Autoren, raubt Filmen oft jegliche Authentizität und entzaubert durch Simplifizierung gleichzeitig Werk, Autor und den kreativen Schaffensprozess.
Springa, våga springa
Zum anderen bettet der Film die eigentliche Erzählung in ein höchst gelungenes Gerüst ein. Die eigentliche Handlung des Films wird von einem Prolog und ein Epilog umrahmt. In diesen sehen wir die alte Astrid Lindgren, vermutlich in ihrem Schreibzimmer. Dort liest und betrachtet sie die zahlreichen Briefe und Bilder, die junge Leser ihr geschickt haben. Der Film erlaubt sich nach besonderen Wendepunkten in Astrids Leben kurze Atempausen, in denen Kinder Zitate aus diesen Briefen vorlesen. Damit werden Verbindungen zwischen Lindgrens Leben und ihrem Werk zwar angedeutet, der Film wird dabei aber nie unauthentisch explizit. Stattdessen erinnern diese Zitate den Zuschauer selbst in den dramatischsten Momenten an den letztlich guten Ausgang des Ganzen. Gleichzeitig führen sie auch immer wieder vor Augen, welchen gewaltigen Einfluss die Werke der Autorin hatten. Sie zeigen auf, wieviel Freude Astrid Lindgren trotz all des Schmerzes und des Leids, welches sie selbst durchlebte, Kindern weltweit schenkte.
Fazit
Pernille Fischer Christensen hat mit Astrid einen Film geschaffen, der vor allem Dank der großartigen Leistung der Hauptdarstellerin Alba August und den Zitaten aus echten Briefen junger Leser berührt.
Ab dem 6.12. im Kino
Beitragsbild: © DCM