Der kleine Prinz

Die neueste Verfilmung des kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry erzählt von den Sommerferien eines namenlosen kleinen Mädchens vor der Einschulung auf einer elitären Privatschule. Nachdem das Mädchen zunächst das Bewerbungsgespräch vor einer Jury missmutig dreinschauender Lehrkräfte in den Sand setzt, kauft die ehrgeizige Mutter ein Haus im Einzugsbereich der Schule, um die Einschulung der Tochter doch noch zu erzwingen. Doch schon bald bringt der neue, geheimnisvolle Nachbar der beiden das vom Perfektionszwang der Mutter getrieben Leben der Kleinen gehörig durcheinander…

Diese neue Interpretation des kleinen Prinzen ist nach dem oscarnominierten Realfilm von Stanley Donan aus dem Jahr 1974 der zweite Versuch Hollywoods, den Zauber des wohl berühmtesten und meistgelesensten französischen Romans des zwanzigsten Jahrhunderts auf die Leinwand zu bringen. Mark Osborne, der mit dem soliden, kommerziell erfolgreichen „Kung Fu Panda“ schon Erfahrungen im Animationsgenre gesammelt hat, inszeniert ein visuell beeindruckendes, aber erzählerisch holpriges modernes Märchen, das die Faszination der Vorlage streckenweise erahnen lässt, sie letztendlich aber nie erreicht.

Die Emanzipation des kleinen Mädchens, das in einer Art umgekehrten Coming-of-Age-Story das Kindsein entdeckt, bildet die Rahmenhandlung, in die die Geschichte des anarchischen Nachbars (ein greises Alter-Ego de Saint-Exupérys), nämlich seine Begegnung mit dem kleinen Prinzen nach einem Flugzeugabsturz in der Wüste, in Form kurzer Episoden eingewoben ist. Diese Erzählungen bilden den Kern der Handlung und sind visuell beeindruckend aufbereitet. Der Film wechselt hier von computergenerierten Bildern zu Stop-Motion-Aufnahmen, in denen sich tönerne und hölzerne Figuren durch einfaltsreiche Pappcollagen bewegen. Da an dieser Stelle 3D-Effekte ähnlich subtil gewinnbringend wie kürzlich in „Arlo & Spot“ eingesetzt werden, mag man hoffen, dass diese Technik zukünftig nicht nur einen kommerziellen, sondern auch einen künstlerischen Mehrwert haben wird.

Die Rahmenhandlung in das 21. Jahrhundert zu verlagern, eine Zeit, in der von neurotischer Selbstoptimierung getriebene Eltern die Lebensläufe ihrer Kinder am Reißbrett planen, ist ein geschickter Schachzug der Drehbuchautoren Brignull und Persichetti. Er betont die Zeitlosigkeit der Themen des Romans und schafft es so in der ersten Hälfte des Films, den Charme der Vorlage zu transportieren, ohne dabei ins Kitschige abzugleiten. Geschickt und wohl nicht zufällig werden visuell Motive von Michael Endes Momo eingewoben, wenn strenge, graue Gestalten durch die Schatten hoher Wolkenkratzer schreiten und Autos sich mechanisch durch klinisch reine Straßen schieben, dass es wirkt, als sei die ganze Stadt ein überdimensioniertes Uhrwerk.

Das große Problem des Films ist sein surrealer dritter Akt. Neue, plumpe Metaphern und Nebenhandlungen werden eingeführt, der bis dahin angenehm zurückhaltende Humor des Films wird zu Slapstick aufgeblasen, der Soundtrack von Hans Zimmer wird auswechselbar bombastisch und geleitet die Handlung zielsicher ins Generische, kurz: Der Film verliert seinen Fokus. Da hilft es auch nicht, dass eine wichtige Nebenrolle von Til Schweiger gesprochen wird, der seinen Job genauso unbeholfen erledigt wie in einer kleineren Rolle zuvor sein jüngerer Kollege Matthias Schweighöfer.

So bleibt am Ende ein knapp überdurchschnittlicher Film, der, wäre das letzte Drittel ähnlich geerdet gewesen wie die ersten beiden Akte, durchaus ein guter hätte werden können. Schade drum.

2m5 von 5

 

von Daniel Mellem

Bild: Szenenbild aus „Der kleine Prinz“ (2015) © 2015 Warner Bros. Pictures

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