X

Eine Hommage an The Texas Chainsaw Massacre:  X (2022) von Ti West spielt in den späten 70er Jahren und ist in ähnlicher Weise als eine lange Nacht des Schreckens in der texanischen Sonne angelegt. Hier beschließt Wayne (Martin Henderson), Produzent von Erwachsenenfilmen, sein neuestes Projekt, einen Pornofilm namens The Farmer’s Daughter, zu drehen. Mit dabei sind Waynes viel jüngere Muse Maxine (Mia Goth), die erfahrene Darstellerin Bobby-Lynne (Brittany Snow) und Jackson (Scott Mescudi), afroamerikanischer Darsteller und Vietnam Veteran. Als Kameramann mit visionären kinematographischen Ideen beweist sich RJ (Owen Campbell) der Unterstützung durch seine Freundin und Tontechnikerin Lorraine (Jenna Ortega) erhält.

Gemeinsam begeben sie sich zum Drehort: Eine baufällige Pension auf einer abgelegenen Farm. Dort werden sie zunächst vom alten Besitzer Howard (Stephen Ure) empfangen – feindselig, mit einer Schrotflinte bewaffnet. Unheimlich tritt dabei Howards labile Frau Pearl (ebenfalls Mia Goth, unter starker Maske nicht zu erkennen) gespenstisch auf. Sie lauert auf dem Gelände, starrt sie an und macht unheimliche Handbewegungen.

X schildert anschaulich, wie Gleichgesinnte einen Porno drehen und das Unternehmen so ernst nehmen wie einen Kunstfilm. Dabei ist X nicht gerade tiefgründig, nutzt jedoch zwischenmenschliche Probleme und Motive, Ideale und Lebenswelten geschickt um diesem Film ein interessantes Setting und eine zwischenmenschliche Dramaturgie und Dynamik zu geben: Die Charaktere werden interessant. Spannend ist es beispielsweise, wenn RJ über den plötzlichen Wunsch seiner schüchternen Freundin Lorraine, in einer Szene mitzuspielen, emotional wird – es nicht für richtig empfindet, sicherlich aus Eifersucht. Sie sei a nice girl, im Gegensatz zu den anderen.

Stilistisch schafft es X mit diesem Setting eine originelle und überaus unterhaltsame Geschichte zu erzählen – bis es zum Bruch kommt. Plötzlich verfällt Howards Frau Pearl in einen sexgetriebenen Blutrausch. Der Regisseur nutzt Sexualität alter Menschen als Grundlage des psychologischen Horrors einer Tötungsnacht. Störend ist, dass die Intimität von Howard und Pearl gezielt als sonderlich abstoßend dargestellt wird, als Absurdität – dies ist einerseits fragwürdig, andererseits ist es hier sehr stumpf und unglaubwürdig erzählt. Grandiose Horrorfilme schaffen aus einem psychologischen Wahnsinn eine intensive Erfahrung, die wirkt, weil sie auf einer schiefen Ebene nachfühlbar ist. Hier sind wir weit von solch einer Erfahrung entfernt – gleichzeitig wirkt die Tötungsnacht abgearbeitet, hier haben wir alles schon gesehen. Schade. Die erste Hälfte zeugt von einem großen Potenzial, das leider ab dem Start der Horrornacht zunichte gemacht wird.

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