Skins (UK)

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Während Skins in Großbritannien ein voller Erfolg war, ist ein kultureller Einfluss im deutschsprachigen Raum bisher weitestgehend ausgeblieben. Man möge dankbar sein, so handelt es sich dabei um eine krasse Droge. Auf den ersten Blick scheint der Stoff nicht viel zu bieten; der erste Zug nicht so recht zu schmecken – doch plötzlich lässt Skins einen nicht mehr los.

Bei Skins handelt es sich um eine Serie, die ich meinen Eltern nicht zeigen würde. Das ist dieser Serie eigen, – es gab zwar noch weitere, doch meist, weil sie in meinen Augen zu kindisch waren; so würde ich sie heute selbst nicht mehr gerne sehen. Bei Skins ist das anders. Skins bringt nämlich Spaß. Das ist in Anbetracht einer Orientierung an HBO Serien bei der sonstigen, gemeinsamen Serienwahl faszinierend. Es liegt also nicht an expliziten Darstellungen. Nein. Bei Skins fällt eine andere Fassade.

„Oh, baby, baby, it’s a wild world // I’ll always remember you like a child, girl“ – Yusuf Islam / Aus dem Finale der ersten Staffel

Mit dem Geständnis Skins zu sehen verließe man eine Komfortzone und äußerte ein Interesse an einer Gedankenwelt, die nicht so recht ins Bild passen würde. Man müsste die so stabile und einfache Rolle des lieben Kindes verlassen; Wünsche und Motive, die der unschönen Triebhaftigkeit entspringen, offenbaren. Sicher: Mit den Peers ließe sich darüber reden. Aber das schließt sich ja auch nicht aus. Zum Glück geben diverse Browser die Möglichkeit „private Fenster“ zu öffnen; und an jene Personen, die nicht mit dem Internet großgeworden sind: Ihr wisst ganz genau, was ich damit meine. Skins ist schmutzig und verdorben, und dennoch umgeben diese attraktiven Unreinheiten einen reinen Diamanten.

Die Droge wirkt also. Wer macht diese Droge? Junge Menschen. Das Durchschnittsalter der Autoren beträgt 21 Jahre. Als Werkzeuge dienen hervorragende Schauspieler, die sich mit ihrem Talent in der Film- und Serienwelt etablieren konnten. Die ersten beiden Staffeln glänzen beispielsweise durch grandiose Beiträge von Nicholas Hoult (Mad Max: Fury Road), Hannah Murray (Game Of Thrones), Joseph Dempsie (Game of Thrones) und Dev Patel (Slumdog Millionaire). Aus späteren Staffeln konnte sich etwa Jack O’Connell (Unbroken) behaupten.

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Zunächst kurz zur Struktur der Serie. Die Serie wird in Generationen aufgeteilt – insgesamt existieren 3. Jede Generation lebt von einer Gruppendynamik, die innerhalb von zwei Staffeln entwickelt wird. Mit der 3. und 5. Staffel beginnt das Spiel vom Neuen – die alten Hauptcharaktere werden durch neue ersetzt. Eine jeweils neue Generation stellt sich den Herausforderungen eines jungen Lebens: Wir begleiten sie durch die letzten Jahre ihrer schulischen Ausbildung bishin zu ihren Abschlussprüfungen. Jede Figur erzählt eine eigene, einzigartige Geschichte, die ihre Position innerhalb der Welt beschreibt. Es geht um Beziehungen. Beziehungen zu Eltern, Lehrern, Mitschülern, Freunden und Partnern. Als natürliche Konsequenz wird mit jeder Folge die Geschichte der Gruppe weitererzählt, deren Bedeutung durch die Besonderheiten eines jeden Einzelnen erwächst.  Ihre Geschichten sind überzeichnet. Doch kommen letztendlich jene Grundgedanken zum Vorschein, die im Wesentlichen Sorgen und Gedanken von jungen Menschen ausmachen. Obwohl jene natürlich aus der Perspektive reicher jugendlicher Figuren aus der westlichen Welt präsentiert werden und jenes ebenso die Macher betrifft, haben einige Ideen einen universellen Anspruch: Wer bin ich, was macht mich aus und wie passe ich in diese Welt?

Dass die Konfrontation mit jenen Fragen wie eine Droge wirkt ist eine natürliche Konsequenz: So streben wir, und insbesondere die junge Zielgruppe, nach Antworten. Mit den Geschichten der diversen Charaktere wird eine Plattform zur unterhaltsamen Auseinandersetzung geboten. Und gerade jene ungeschönte Triebhaftigkeit zeigt, dass sich die Autoren nicht verstellen. Sie bieten damit ein authentisches Abbild, das trotz oder gerade wegen etwaiger Überzeichnungen von Handlungssträngen und Persönlichkeiten zum Vorschein kommt. Das ist auch gut so. Wünsche, Ideen und Vorstellungen des Streben nach Glück entziehen sich den Ansprüchen der Realität – entsprechen ihr in der Regel auch nicht.

Schon bei den Schauspielern ist auffällig, dass sich lediglich jene aus der ersten Generation behaupten konnten. Sicherlich, mit ihren starken Beiträgen konnten sie ihr Talent präsentieren – ermöglicht wurde dies durch ein gelungenes Drehbuch. Sowohl die Entwicklung einzelner Charaktere als auch die Gestaltung der gesamten Gruppendynamik wirkte durchdacht, sogar innovativ. Der gute Cast war in der Lage mit dieser Grundlage zu spielen und damit ihre Charaktere auf eine Art und Weise zu zeichnen, dass aus ihnen einzigartige Persönlichkeiten wurden. Sagen wir es mal so: Bei der ersten Generation handelte es sich um einen perfekten Einstieg, um süchtig zu werden.

Im Laufe der nächsten Staffeln wurde die Droge wortwörtlich gestreckt: Der billige Stoff kam auf den Markt. Betrachtet man die Zuschauerzahlen, so war die zweite Generation sogar erfolgreicher als die Erste. Leider hinkt sie qualitativ jedoch zurück. Während die anderen Generationen weiterhin den besonderen Kern in sich tragen, wirken sie insgesamt kalkuliert und aufgesetzt. Als hätte man nicht verstanden, was die Stärke der ersten Generation war. Das Ziel war nicht mehr, ein gelungenes und durchdachtes Drama zu schreiben. Im Fokus stand, cool zu sein. Das funktioniert nicht. Weiterhin waren die Handlungsstränge unterhaltsam, die Charaktere weckten ein gewisses Interesse – aber es fehlte der Funke, der durch harte Arbeit entsteht und letztendlich ein gelungenes Werk ausmacht: Kreativität.  Aber eins konnte man nicht zerstören: Den Gedanken der dahinter steht. Für die Zielgruppe wird er sicherlich weiterhin interessant sein – möglicherweise ist die Gestaltung sogar für jene attraktiver.

Die erste Generation von Skins hatte etwas Interessantes zu erzählen, während die folgenden Generationen explizit auf eine Zielgruppe ausgerichtet und entsprechend kalkuliert wurden. Nicht zu vergessen jedoch: Auch die gestreckte Droge beinhaltet den Stoff. Und ich wollte ihn. So schlecht kann er also nicht sein. Andere werden stärker sein: Jenen wird es leichter fallen als mir, von der Droge loszukommen. Ganz im Sinne des Finales der fünften Staffel:

„We are a mess, we are failures and we love it.“Dog Is Dead / Aus dem Finale der fünften Staffel

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Bild: Aus „Skins“ (2007-2013), © Channel Four Television Corporation

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